PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT II

DER

JULIUS - MAXIMILIANS - UNIVERSITÄT

WÜRZBURG
 
 
 

WISSENSCHAFTLICHE ARBEIT ZUR ERLANGUNG DES AKADEMISCHEN GRADES EINES
 
 

MAGISTER ARTIUM (M.A.)
 
 

Anfänge und politische Entwicklung der Partei

"DIE GRÜNEN" in Unterfranken
 
 

Am Beispiel des städtischen Kreisverbandes Würzburg, im Hinblick auf die Entwicklung der Bundespartei
 
 

Eingereicht von:
 
 

Clemens Matjak

Scherenbergstr. 11

97082 Würzburg
 
 

Würzburg 1998
 
 

Im Fach: NEUE UND NEUESTE GESCHICHTE
 
 





Für das Zustandekommen dieser Arbeit möchte ich mich bei einigen Menschen besonders bedanken. Speziellen Dank an Claudia Szameit, die mir mehr Zeit zum Nachforschen und Anfertigen ermöglicht hat, als mir lieb war. Sie hat es zudem, im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten, geschafft, anderen lästigen Ärger von mir abzuhalten. Für die tolerante und verständnisvolle Haltung gegenüber meinen Schwächen möchte ich mich bei Herrn Harm-Hinrich Brandt bedanken. Die wertvolle Beratung von Stefan Krieglsteiner war hilfreich. Ein Dank, für die Einblicke in ihre Archive, geht an alle Gliederungen der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Last, but not least, schulde ich meinem Vater Hans Dank, der mich trotz besseren Wissens bei meinem Studium der Geschichte und Philosophie geduldig unterstützt hat.

Diese Arbeit wurde im Andenken an meine Mutter Elisabeth verfaßt.
 
 

Inhaltsverzeichnis:
 
 

Danksagung
 
 

Quellenlage
 
 

Einleitung
 
 
 

1.1 Die Gründung der GRÜNEN als Bundespartei

1.2 Die Gründung der Partei DIE GRÜNEN in Würzburg

1.3 Gruhls Grüne Aktion Zukunft (GAZ)

1.4 Andere an der Entstehung beteiligte Gruppen

1.4.1 Die undogmatische Linke

1.4.2 Die Friedensbewegung

1.5 Der Versuch, die GRÜNEN in Würzburg 1980 wieder aufzulösen

1.6 Ein früher Neuanfang der GRÜNEN in Würzburg
 
 

2. Die Strukturen der Würzburger GRÜNEN

2.1 Exkurs zur Basisdemokratie

2.2 Die Mitgliederentwicklung

2.2.1 Zusammensetzung der Mitglieder

2.3 Der Vorstand

2.4 Die finanzielle Entwicklung des Kreisverbandes

2.5 Die Infrastruktur

2.5.2 Bezahlte Mitarbeiter in Würzburg
 
 

3. Entscheidungsebenen und Satzungen der GRÜNEN

3.1 Die Satzung der Würzburger GRÜNEN

3.2 Entscheidungsebenen der GRÜNEN in Würzburg

3.2.1 Arbeitskreise und Delegiertenrat

3.2.2 Der Koordinierungsausschuß

3.3 Rotation und Trennung von Amt und Mandat

3.4 Das Frauenstatut

3.5 Die Entstehung des Kreisverbandes Würzburg-Land

3.6 Der Zusammenschluß zur Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
 
 

4. Programme und Beispiele der programmatischen Entwicklungen

4.1 Programme auf lokaler Ebene

4.2 Entwicklung GRÜNER Wirtschaftspolitik

4.3 Die Stellungnahmen zur Energiepolitik und den Kernkraftwerken

4.4 Außen- und Sicherheitspolitik
 
 

5. Nicht nur die Revolution frißt ihre Kinder

5.1 Der Machtverlust des Ludger Beckmann in Würzburg

5.1.1 War der Konflikt mit Beckmann Ausdruck des Machtkampfes zwischen "Realos" und "Fundis"?

5.1.2 Die Isolierung und der Austritt des Stadtrates Beckmann

5.2 Werdegang der Stadträtin Bärbel Benkert

5.2.1 Rückzug und der Austritt von Bärbel Benkert
 
 

6. Wahlen und Wahlkämpfe

6.1 Wahlen zum Europäischen Parlament

6.2 Wahlen zum Deutschen Bundestag

6.2.1 Bundestagswahlen 1980

6.2.2 Bundestagswahl 1983

6.2.3 Bundestagswahl 1987

6.2.4 Bundestagswahl 1990 - Der Einbruch

6.2.5 Bundestagswahlen 1994

6.3 Landtags- und Bezirkstagswahlen

6.4 Kommunalwahlen in Würzburg

6.4.1 GRÜNE Listen - allein oder mit anderen?

6.4.2 Lokale programmatische Vorstellungen
 
 

6.4.3 Die Frage einer Oberbürgermeisterkandidatur der GRÜNEN

6.5 WählerInnen der GRÜNEN
 
 

7. Schwerpunkte der Arbeit der GRÜNEN im Stadtrat

7.1 Zentrale Handlungsfelder der GRÜNEN im Würzburger Stadtrat

7.1.1 Das Verhältnis zu den "Freien Kulturträgern"

7.2.2 DIE GRÜNEN in Verhandlungen mit anderen Stadträten
 
 

8. Petra Kelly
 
 

Anhang:

- Tabelle zu den Wahlerebnissen der GRÜNEN auf den einzelnen Ebenen

- Tabelle zu den Wahlergebnissen der Würzburger GRÜNEN

- Diagramm zu den Wahlerebnissen der GRÜNEN auf den einzelnen Ebenen

- Diagramm zu den Wahlergebnissen der Würzburger GRÜNEN

- Tabelle der Vorstandsmitglieder in Würzburg

- Tabelle der Würzburger Direktkandidaten der GRÜNEN

- Tabelle zur Mitgliederentwicklung
 
 

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis
 
 
 
 

Quellenlage
 
 

Als Originalquellen für die Betrachtung der Entstehungsgeschichte und der weiteren Entwicklung der GRÜNEN in Würzburg stehen Sitzungsprotokolle von verschiedenen Gremien der Partei zu Verfügung. Dies sind Protokolle der Mitgliederversammlungen, die seit 1984 mit ganz wenigen Ausnahmen noch vorhanden sind. Vor 1984 sind manchmal lediglich die Einladungen mit der jeweiligen Tagesordnung, oder Anwesenheitslisten und ähnliches erhalten. Nicht mehr auffindbar sind irgendwie geartete Unterlagen von der Gründungsversammlung im Dezember 1979, was durch den kollektiven Austritt des gesamten ersten Vorstandes, nur vier Monate nach der Konstituierung der Partei, erklärbar sein könnte. Auffällig ist eine gewisse Ausdünung bei den Protokollen vor allem in Zeiten hoher Aktivität. Dies gilt besonders für die ersten Jahre der GRÜNEN, zum Beispiel vor dem Bundestagswahlkampf 1983 und danach. Eine Lücke in der Überlieferung ist außerdem noch von März bis Juli 1982 zu beklagen. Ungenauigkeiten in der eigenen Dokumentation sind bei einem Kreisverband einer neuen, aktionshungrigen Partei wohl etwas verständlich, kamen aber auch auf Bundesebene hin und wieder vor. So wurde der Gründungsparteitag am 12. und 13. Januar 1980 in Karlsruhe zwar auf Band mitgeschnitten, doch wurden einige der Bänder kurz danach mit anderen Ereignissen überspielt.

Protokolle von Sitzungen des Vorstandes sind allem Anschein nach erst seit 1984 geführt, beziehungsweise archiviert worden. Da diese auf freiwilliger Basis handschriftlich geführt, und später maschinell ausgearbeitet dem Vorstand zur Genehmigung vorgelegt wurden, liegt es wohl in der Natur der Sache, daß auch hier einige wenige fehlen. Seit Mitte 1994 wurden Protokollbücher über Vorstandssitzungen geführt, was aber teilweise, etwa bei problematischen Handschriften und Gedankensprüngen, das Lesen sehr schwer macht.

Daneben gibt es noch von 1984 bis 1990 Protokolle des Delegiertenrates, der mit zweiwöchigem Abstand tagte, die ziemlich vollständig sind. Er wurde nach 1990 durch den Koordinierungsausschuß abgelöst, dessen Sitzungen analog zu denen des Vorstandes protokolliert wurden.

Außerdem sind für alle Ebenen der Partei Wahlprogramme, Satzungen Wahlkampfmaterialien und parteieigene Zeitschriften überliefert. Im Kreisverband Würzbug wurden zudem Rechenschaftsberichte des Vorstandes und der Stadträte in unregelmäßigen Abständen erstellt (nach der Satzung hätte dies einmal im Jahr sein müssen).

Ansonsten gibt es in den Beständen des Kreisverbandes noch eine Vielzahl von Arbeitspapieren, Einzelkonzepten, Studien und Ideenvorlagen, die in Einzelfragen andere Informationen teilweise ergänzen konnten.

Vom Landes- und Bundesverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stammen, neben Programmen, einige statistische Angaben. Daneben wurden auch Angaben des Statistischen Bundesamtes und des Statistischen Landesamtes Bayern verwendet.

Weitere ergiebige Quellen sind Zeitungsartikel vor allem der beiden lokalen Zeitungen, "Mainpost" und "Volksblatt" über die Arbeit der Würzburger GRÜNEN und die Ereignisse in der Partei. Diese sind natürlich an mehreren Orten vollständig archiviert und konnten damit zum Teil Lücken der Überlieferung etwas überbrücken.

Der Autor hat soweit als irgend möglich versucht, sich beim Nachweis von Sachverhalten nicht auf mündliche Überlieferungen von Beteiligten zu berufen, da diese gerade im nachhinein, große Subjektivität in sich bergen können.
 
 

Zur Sekundärliteratur
 
 

Darstellungen zum Themenkomplex "DIE GRÜNEN" gibt es zahlreiche, wenn auch zumeist nur zu Einzelproblemen oder mit der deutlichen Intention auf Wirkung in oder Abrechnung mit der Partei. Daher sollen an dieser Stelle einige andere, in wissenschaftlicher Hinsicht grundlegende Arbeiten Erwähnung und Einschätzung finden.

Rudolf van Hüllen verfaßte 1990 eine detaillierte Darstellung der ersten Jahre und der Vorläuferorganisationen der GRÜNEN. Speziell im Hinblick auf die Taktiken und ideologische Basis von beteiligten Gruppen ist seine Beschreibung sehr ergiebig. Etwas vernachlässigt wird bei ihm die schwer faßbare Rolle der undogmatischen Linken. Van Hüllen arbeitet heute vor allem für die Konrad Adenauer Stiftung im Bereich der Linksextremismusforschung.

Die politologisch und historisch wohl umfangreichsten Forschungen wurden von Joachim Raschke betrieben. Der Professor für Politologie aus Hamburg, der auch zahlreiche Diplomarbeiten zu diesem Themengebiet vergeben hat, erstellte zusammen mit anderen Autoren eine minutiöse Darstellung der Entwicklungslinien der GRÜNEN und ihrer Strömungen. Trotz ausreichender wissenschaftlicher Distanz in seinem Werk, konnte sich der Autor dieser Abhandlung auf einer Bundesversammlung der GRÜNEN in Bremen ein Bild von der Leidenschaft Raschkes im Hinblick auf sein Forschungsobjekt machen.

Zu erwähnen sind hier auch die Arbeiten von Anna Hallensleben zur Entwicklung von der GLU zur Bundespartei, von Richard Stöss und Hans-Joachim Veen. Die Publikationen von Hubert Kleinert sind für die Betrachtung innerparteilicher Konfliktlinien ergiebig, da eine Darstellung aus reiner "Realo"-Sichtweise jedoch mit Vorsicht zu genießen.
 
 
 
 

Einleitung
 
 

Die Parteigründung der GRÜNEN auf Bundesebene hat sich am 13.1.1998 zum 18-ten mal gejährt, oder wie es häufig in der Presse hieß, die GRÜNEN wurden volljährig. Dies war zwar nicht der Anlaß für diese Arbeit, trifft sich jedoch gut, um anhand einer exemplarischen Darstellung, Entstehung und Entwicklung eines Kreisverbandes der Partei im Hinblick auf die Entwicklung der Bundespartei zu untersuchen. Auch wenn es den GRÜNEN in ihrer bisherigen Geschichte nur in geringem Maß gelungen ist, in machtpolitischer Hinsicht gestalterisch tätig zu werden, wurden unzweifelhaft durch sie neue Aspekte in die politischen Diskussionen der Bundesrepublik gebracht. Auch der Begriff "grün", mit seiner positiven Besetzung, fand in Folge der GRÜNEN einen inflationären Gebrauch. Was die Partei Anfang der 90er Jahre veranlaßte, die schon lange gebräuchliche durchgehende Großschreibung des Namens, um Verwechslungen vorzubeugen, auch formell zu beschließen. Soweit es sprachlich gerade noch vertretbar war, hat der Autor dieser Arbeit versucht, sich daran zu halten.

Bei der Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Partei DIE GRÜNEN, sowohl auf Bundesebene wie auch auf kommunaler Ebene, ist es für ein tieferes Verständnis unumgänglich, sich die allgemeine politische Situation der späten 70er Jahre vor Augen zu führen. Die SPD/FDP Regierungskoalition unter Helmut Schmidt hatte einen klar wirtschaftspolitisch dominierten Kurs eingeschlagen, der auf deutliche Wachstumsraten abzielte, um die Arbeitslosigkeit nicht größer werden zu lassen, dabei aber die zunehmenden staatlichen Aufgaben und ehrgeizigen Projekte aus den späten 60er Jahren durch höheres Steueraufkommen zu finanzieren. Die Hoffnungen der weiter links Stehenden oder der neu entstandenen, zum Teil auch konservativen, ökologisch orientierten Bevölkerungsteile, daß durch die linksliberale Koalition weitergehende gesellschaftspolitische Änderungen eintreten würden, waren nicht erfüllt worden. Dabei waren in den ersten Jahren der Regierung Brandt innovative Bundesgesetze zu Fragen der Umweltpolitik entstanden, die auch unter der Regierung Schmidt komplettiert wurden. Doch war dies in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, und in ökologisch informierten Kreisen als zu halbherzig bewertet worden. Bei den ursprünglich eher konservativen Naturschützern wuchs umgekehrt das Bewußtsein, daß eine Verschwendung der Rohstoffe für immer neue Massenproduktion eine Gefahr für die Lebensgrundlagen darstellt, was zu einer Kritik des westlichen, marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftssystems, das auf ständige Wachstumsraten mit immer höheren Resourcenverbrauch vorprogrammiert schien, führte.

Aus allen diesen Komponenten entwickelte sich zum Beispiel die "Zurück zur Natur"-Bewegung, die in Formen wie Tauschhandel, Selbstversorgung und Konsumverzicht die einzige persönliche Alternative zu den, in ihren Augen, festgefahrenen industriellen Strukturen der Gesellschaft der 70er und beginnenden 80er Jahre sah. Ein weitverbreiteter Irrtum ist die Reduzierung der Partei DIE GRÜNEN auf Wertebilder solcher Bewegungen, deren Mitglieder DIE GRÜNEN (noch am ehesten) als ihre politische Heimat sahen, und zum Teil bis heute noch sehen.

Auch in der breiteren Öffentlichkeit begannen langsam ökologische Probleme thematisiert zu werden. So entstanden zum Beispiel in dieser Zeit Unterhaltungsfilme, deren Aussage negative Zukunftsprognosen für die Umwelt enthielt, die über gravierende Smogprobleme oder über die Problematik des Umgangs mit kerntechnischen Stoffen informierten.

In dieser Situation wurden im gesamten Bundesgebiet zunehmend Organisationen und Bürgerinitiativen mit dem eindeutigen Schwerpunkt auf ökologischer und politisch von unten mitgestaltender Arbeit gegründet. Ihre politische Ausrichtung war untereinander, aber sogar innerhalb ein und der selben Gruppe, hochgradig heterogen und nicht selten sogar divergierend. Daneben nahmen sich einige bereits bestehende Kleinstparteien und ausgestiegene Politiker verstärkt ökologischer Themen an.

Vier große Themen oder Ereignisse beförderten, bisweilen nur durch gemeinsame Negation, daß sich verschiedene geistige Minderheiten der Gesellschaft aus unterschiedlichen Motiven zu Aktionsbündnissen zusammenschlossen. Solche Aktionsbündnisse waren häufig die Wurzeln der GRÜNEN vor Ort.

Hier ist zum einen die Anti–Atom–Bewegung zu nennen, die anfänglich aus reinen Betroffenheitsinitiativen von Bürgern aus der näheren Umgebung existierender oder geplanter atomarer Großprojeke bestand.

Daneben waren die unterschiedlichen Teile der Friedensbewegung relevant, die sich aus Pazifisten, aber auch Vertretern der Theorie eines dritten Weges für Deutschland zwischen den Militärblöcken, zusammensetzte. Sie bekamen in der Folge des "NATO-Doppelbeschlusses" enormen Zulauf.

Nicht zu unterschätzen waren auch die Initiativen, die sich gegen eine geplante Volkszählung richteten. Durch den Ausbau der staatlichen, und vor allem polizeilichen Informationssysteme in den 70er Jahren zum Zwecke der Bekämpfung der RAF und ihrer Nachfolgeorganisationen, entstanden Gruppen, die einen potentiellen Mißbrauch massenhaft erhobener Daten befürchteten.

Schließlich kann auch der CSU-Politiker Franz-Josef Strauß indirekt zu den Gründungsvätern solcher Aktionsgruppen gezählt werden. Durch seine Kanzlerkandidatur für das Jahr 1980 wurde eine Polarisierung in der Gesellschaft unterstützt. Besonders politisch links der SPD stehende Menschen erinnerten sich beispielsweise noch gut daran, daß Franz-Josef Strauß 1977 versucht hatte, Bundestagsabgeordnete der SPD als Sympathisanten der RAF zu diffamieren.

Daneben nahmen sich einige bereits bestehende Kleinstparteien und ausgestiegene Politiker den ökologischen Themen verstärkt an.
 
 
 
 

1.1 Die Gründung der GRÜNEN als Bundespartei
 
 

Die Gründung der Partei DIE GRÜNEN, die im Prinzip flächendeckend parallel in vielen Städten und Landkreisen des Bundesgebiet stattfand, hatte eine Vorgeschichte an der ähnlich orientierte Gruppen oder Personen beteiligt waren. Dabei waren die Gruppen der Großstädte und der Universitätsstädte, mit bereits bestehenden organisatorischen Vorstrukturen und einer größeren Sehnsucht nach idyllischem Naturerleben, zumeist treibende Kräfte auf dem Weg zu einer neuen Partei.

Als bereits bundesweit bestehende Organisationen spielten dabei die "Grüne Aktion Zukunft" (GAZ) und die "Aktionsgemeinschaft unabhängiger Deutscher" (AUD) wichtige Rolle. Daneben gab es noch den nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Gründung der GRÜNEN, den zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen aus Bürgerinitiativen und der links-alternativen Szene hatten, die vor allem in den Städten recht stark waren. Für den ersten Zusammenschluß in Richtung einer Partei, dem Listenbündnis der "Sonstigen Politischen Vereinigungen DIE GRÜNEN", das am 17./18.3.1979 ausschließlich zur Teilnahme an den ersten Wahlen zum Europäischen Parlament in Frankfurt gegründet worden war, spielten zwei weitere Vereinigungen eine wichtige Rolle. Die 1977 in Niedersachsen entstandene "Grüne Liste Umweltschutz", die bereits 1978 zu den Landtagswahlen mit beachtlichen Erfolg angetreten war, und die "Grüne Liste Schleswig Holstein". Trotz der Namensähnlichkeit waren diese beiden Listengründungen im wesentlichen unabhängig voneinander, und aus unterschiedlichen Beweggründen vorgenommen worden. Für das Entstehen von Kreisverbänden im Süden Deutschlands spielten sie, aufgrund ihrer mutmachenden Erfolge, bestenfalls eine symbolische Rolle.
 
 
 
 

1.2 Die Gründung der Partei DIE GRÜNEN in Würzburg
 
 

Die Gründung einer grünen Partei in Würzburg ist sehr schlecht überliefert. Etwas Schriftliches, etwa ein Protokoll der Gründungsversammlung oder ein Zeitungsbericht darüber, ist nicht mehr aufzutreiben. Daher kann man die Gründung nur durch Erinnerungen von beteiligten Personen sowie durch einen Zeitungsbericht, der aber erst vier Monate später, bei der drohenden Auflösung der Partei, die Gründung Anfang Dezember 1979 erwähnt, nachvollziehen. Gewählt werden konnten DIE GRÜNEN in Würzburg bereits 1978 bei den Bayerischen Landtagswahlen, weil in Bayern Die Grüne Aktion Zukunft (GAZ) und die Aktion unabhängiger Deutscher (AUD) sich darauf verständigt hatten gemeinsam unter dem Namen DIE GRÜNEN zur Landtagswahl anzutreten. In diesem Stadium war es jedoch noch ein reines Wahlbündnis und weit entfernt von einer gemeinsamen Partei, auch wenn damit die Weichen hin zu einer neuen Partei gestellt wurden.
 
 
 
 

1.3. Gruhls Grüne Aktion Zukunft (GAZ)
 
 

In Würzburg wurde die Gründung einer GRÜNEN Partei von den Mitgliedern der seit August 1978 bestehenden GAZ (Grüne Aktion Zukunft) maßgeblich getragen. Die GAZ war im Juli 1978 von Herbert Gruhl in Hessen mit 8 weiteren Personen, zum Zweck der Teilnahme an den Landtagswahlen in Hessen am 8.10.1978, gegründet worden. Bei dieser Gründung wurde das erwähnte "Grüne Manifest" quasi als Grundsatzprogramm beschlossen. Dabei war auch angeregt worden, Kreisverbände dieser Organisation bundesweit zu gründen, was in Würzburg am 17.8.1978 auch geschah. Prägnant für fast alle Gründungen von ökologischen Parteien und Zusammenschlüssen war, daß sie stets unter dem Druck bevorstehender Wahlen zustande kamen. Einer der Gründe dafür dürfte in der allgemeinen Einschätzung bestanden haben, man könne ein von den anderen Parteien vernachlässigtes Wählerpotential ansprechen. Die GAZ Würzburg entstand aus einem Diskussionskreis über das "Grüne Manifest" und Herbert Gruhls Buch "Ein Planet wird geplündert". Bei der Gründung hatte die GAZ in Würzburg 12 Mitglieder, zum Vorsitzenden wurde der 32-jährige Bauingenieur Werner Kallenbach gewählt. Die GAZ Würzburg präsentierte bereits für die Landtagswahlen in Bayern im Herbst 1978 eigene Kandidaten, sowohl für den Wahlkreis Würzburg-Stadt als auch für Würzburg-Land. In der Stadt kandidierte Wanda Kallenbach, die Frau des Parteivorsitzenden, im Landkreis Fred Stahl, das einzige ehemalige GAZ-Mitglied, das auch heute noch für die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aktiv ist.

Schon vor der Gründung eines Kreisverbandes der GAZ, gewarnt durch die Gründungswellen ökologischer Listen und Organisationen im ganzen Bundesgebiet, reagierte die CSU (Christlich Soziale Union) in Unterfranken mit einer Pressemitteilung auf die Pläne von GAZ und AUD, unter dem Namen DIE GRÜNEN zur Landtagswahl 1978 anzutreten. In ihr wurde der Standpunkt vertreten, daß "Grüne Listen" unnötig seien, da die CSU die Belange des Umweltschutzes in der Zukunft genügend berücksichtigen würde. Auch mit dem FDP(Freie Demokratische Partei)-Kandidaten für den Landtag, Dr. Keil, hatte die neue politische Bewegung gleich Schwierigkeiten. Weil er im Rahmen seines Wahlkampfes mit einem Aufkleber die Unterstützung des BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) für seine Kandidatur offensiv einzusetzen versuchte, reklamierte die GAZ, daß, wenn der BUND überhaupt eine Wahlempfehlung abgeben würde, diese dann doch wohl zugunsten der GAZ und nicht der FDP ausfallen würde. Dabei war die GAZ jedoch einem Irrtum erlegen, weil sie mit dem Vorstand des BUND von Unterfranken gesprochen hatten, der nichts von einer Unterstützung der FDP wußte, es aber in der Kreisgruppe Würzburg des BUND es üblich war und ist, eine Empfehlung für Kandidaten zu geben, die Mitglied des BUND sind. Nach den Landtagswahlen wurde es erst einmal etwas stiller um die neue Partei in Würzburg, bis zur Gründung der Grünen Partei ist sie nur noch zweimal nennenswert in der Öffentlichkeit präsent gewesen. Zum einen durch den Kauf von Anteilen an der "Bundschuh Genossenschaft", die in Nordbayern und Baden-Württemberg einen großen Bekanntheitsgrad hatte, der auch bundesweit wahrgenommen wurde. Ihr Anliegen war es, zu verhindern, daß durch den Bau einer großen Teststrecke des Daimler-Benz Konzernes bei Boxberg, das zwischen Würzburg und Heilbronn liegt, großflächig Ackerland und Wald zerstört würde.

Im Zuge des Zusammengehens einiger ökologisch orientierter Kräfte, hier seien vor allem die AUD (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher), die GLU (Grüne Liste Umweltschutz) und die GAZ erwähnt, zur Vorbereitung einer Teilnahme an den ersten direkten Wahlen zu einem Europäischen Parlament, hielt die GAZ einen Bundeskongress in Würzburg ab. Dabei wurde von ihrem Vorsitzenden Herbert Gruhl die Vehandlungslinie der GAZ entwickelt. Als verbindende Zielsetzung der unterschiedlich motivierten Kräfte, die an der geplanten Partei beteiligt waren, wurden vier Adjektive in den Raum gestellt. Die neue Partei sollte ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei ausgerichtet sein. Auf diese Werte hatte man sich im Vorfeld des Vereinigungs-Kongresses, der in Frankfurt stattfand, geeinigt. Dabei ist zu erwähnen, daß die Bedeutung des Begriffes "basisdemokratisch" einigen der maßgeblichen Gründer, im nachhinein betrachtet, vielleicht nicht ganz klar war. Waren doch sowohl die GAZ mit Herbert Gruhl, als auch der AUD mit August Haußleiter eher auf eine Person hin orientierte Organisationen.
 
 
 
 
 
 

1.4 Andere an der Entstehung beteiligte Gruppen
 
 

Außer der GAZ waren die anderen, etwas größeren Organisationen wie die AUD und die GLU (Grüne Liste Umweltschutz), die auf Bundesebene bei den ersten Bündnissen zum Zwecke der Teilnahme an Wahlen mit von der Partie waren, in Würzburg nicht nennenswert vertreten. Aber natürlich gab es in einer Universitätsstadt zahlreiche Personen, die entweder mit oder ohne eigenen gesellschaftspolitischen Überbau an ganz bestimmten Sachthemen arbeiteten. Diese Personen hatten zumeist ein eher links orientiertes Weltbild, aber eine Abscheu gegen starre Organisationsformen. Sie versuchten ihre Ziele in Bürgerinitiativen, Stadtteilinitiativen und zu einem geringen Teil auch in der Hochschulpolitik ohne feste politische Bindung umzusetzen. Daneben wurde das Entstehen der GRÜNEN auch von dogmatischen Linken mit Interesse verfolgt, da in den kommunistisch orientierten Parteien und Verbänden sehr schnell die Chance gesehen wurde, daß sie durch eine Mitwirkung bei einer neuen Bündnispartei, eventuell aus ihrem Schattendasein in der politischen Landschaft heraustreten könnten. Als gemeinsames Ziel hatten die wertkonservativen Ökologen, die bunt gemischten undogmatischen Linken sowie die dogmatischen Linken31 einen deutlichen Wandel der Gesellschaft und des Wirtschaftssystems. Wobei es klar war, daß sowohl die Motivation, als auch die detaillierteren Zukunftsvisionen sehr unterschiedlich ausfielen. Deshalb beobachtete man sich auch von Anfang an sehr genau, aus Angst davor, sich von einer Richtung über den Tisch ziehen zu lassen, in die man selbst nicht wollte.
 
 
 
 

1.4.1 Die undogmatische Linke
 
 

Bei den Darstellungen über die verschiedenen Kräfte, die an der Gründung einer Grünen Partei, egal auf welcher Ebene, beteiligt waren, wird oft die nicht zu unterschätzende Zahl der unorganisierten Individualisten vernachlässigt. Dabei handelt es sich um Personen, die nur sehr schwer als Gruppe zu umreißen sind. Dazu gehörten z.B. individuelle Anarchisten, die zwar die Notwendigkeit des politischen Handelns sahen, sich aber aufgrund ihres Weltbildes eigentlich gar keiner übergeordneten Organisation anschließen wollten. Weil für viele Menschen, die da plötzlich eine Chance zur politischen Einflußnahme sahen, ursprünglich nichts wichtiger war, als ihre geistige Autonomie oder gar Autarkie, ist ihr Einfluß auch so schwer zu beschreiben. Doch sind sie während der ganzen Entwicklung der GRÜNEN ein wichtiger Machtfaktor, da zu keiner Zeit irgendwelche organisierten Strömungen in der Partei eine verläßliche Mehrheit hinter sich hatten.

Als wichtigsten Teil dieses Spektrums seien hier die undogmatischen Linken genannt, die häufig in der Literatur mit den "Neuen Linken" verwechselt werden, da Betrachtern von außen die Grenzen sehr verschwommen erscheinen. Sie spielten bei den Gründungen von Grünen Kreisverbänden aber vor allem in den ersten Jahren der GRÜNEN eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Würzburg waren das hauptsächlich Personen, die zuvor bei der "Umweltgruppe Würzburg" engagiert waren. In ihr waren zum Teil aktive oder ehemalige Studierende, die, im Zuge der Berufung des Soziologieprofessors Lothar Bossle, die sehr umstritten war, basisdemokratische Strukturen des Widerstandes geschaffen hatten. Dabei ist vor allem die Gründungen von Fachschaftsinitiativen und Fachschaftsräten als allgemeinpolitisches Forum der Studierenden gemeint, die Vollversammlungen der Fachschaften oder aller Studierenden der Universität als obersten Souverän verstanden wissen wollten. Diese wurden als Kontrapunkte zu den durch das BHG (Bayerisches Hochschulgesetz) von 1974 nach dem repräsentativen Demokratiemodell geschaffenen Einrichtungen – der Interessenvertretung von Studierenden ohne allgemeinpolitischen Anspruch – entwickelt.

Die Würzburger Umweltgruppe hatte außerhalb der Universität, unter der Mitarbeit von Menschen, die nicht mehr oder noch nie studiert hatten, das Ziel, außerparlamentarisch an politischen Fragen zu arbeiten und auch öffentlich zu wirken. Diese Gruppe war im hohen Maße heterogen, und viele ihrer Mitarbeiter hielten auch nichts von Parteien im allgemeinen, so daß nur einzelne den Weg der Mitwirkung in der Grünen Partei wählten. Trotzdem spielte der Einfluß in dieser Art politisch sozialisierter Menschen für die ersten Jahre der innerparteilichen Entwicklung eine große Rolle. Besonders im Hinblick auf die Arbeitsstrukturen der Partei und der basisdemokratischen Ausrichtung und der Offenheit für Menschen, die themenbezogen mitarbeiten wollten. Ein Beleg für ihre ideelle Heterogenität ist die Tatsache, daß die Mitarbeiter der Umweltgruppe nach deren Niedergang, der in die Jahre 1982 und 1983 zu legen ist, höchst unterschiedliche persönliche Antworten auf ihre Fragen fanden. Manche engagierten sich in entsprechenden Parteien und Verbänden. Andere versuchten alternative, autarke Lebensformen, wie die Landkommunen zu entwickeln. Eine weitere Möglichkeit bestand in der Suche nach Antwort mit Hilfe von esoterischen Weltbildern und Techniken. Wohl am häufigsten war aber das frühere oder spätere Zurückziehen in ein zeitaufwendiges Berufsleben und/oder ins Private.
 
 

1.4.2 Die Friedensbewegung
 
 

Die Friedensbewegung wird hier als eigener wichtiger Vorläufer für die GRÜNEN behandelt, da ihre Zusammensetzung noch heterogener als bei anderen Gruppen war. Natürlich ergaben sich bei den zahlreichen anderen Initiativen und Organisationen, die für die Entstehung der GRÜNEN relevant waren Überschneidungen seitens der Personen und Thematiken. Genannt seien hier die Anti–Atomkraft–Initiativen, Dritte–Welt–Gruppen und Bürgerinitiativen zu lokalen Problemen. Doch nirgends waren unterschiedlichste motivierte Kräfte in solch großer Zahl vertreten wie bei den Initiativen der Friedensbewegung. Das Potential reichte von praktizierenden Katholiken und Gläubigen der evangelischen Kirche, über Jungsozialisten und Autonomen bis hin zu orthodoxen Kommunisten. Für die letzteren war selbstverständlich nur das Waffenpotential der NATO eine Bedrohung für die Menschheit. Vor allem durch den NATO–Doppelbeschluß, zu einer Auseinandersetzung mit den Zerstörungspotentialen der großen Militärblöcke motiviert, fanden viele bei der neuen Partei Anfang der 80er Jahre eine politische Heimat. Schließlich war die Gewaltfreiheit eine der vier ideologischen Säulen der GRÜNEN. Dabei vertraten die GRÜNEN in den ersten Jahren mehrheitlich Positionen, die für fast alle Teile der Friedensbewegung gerade noch hinnehmbar waren. Durch ihre eher sanfte Kritik an der Politik Moskaus machten sie sich die Linke nicht zu Feinden. Die gleichzeitige Unterstützung von Bewegungen, wie der polnischen "Solidarnosç", wirkte vor allem bei den pazifistischen Christen positiv. Dies war wohl keine Taktik sondern eher der Anspruch der GRÜNEN, auf keinem Auge blind zu sein, verbunden mit integrativer Motivation. Auch bei den Würzburger GRÜNEN, war der Arbeitskreis Frieden eine zentrale und kontinuierliche Institution innerhalb der Partei.
 
 
 
 

1.5 Der Versuch, die GRÜNEN in Würzburg 1980 wieder aufzulösen
 
 

Die GRÜNEN in Würzburg waren, wie bereits dargestellt, in den ersten Monaten maßgeblich von den Mitgliedern der ehemaligen GAZ bestimmt. Der komplette Vorstand bestand aus Anhängern von Herbert Gruhl, der sich auf der 2. Ordentlichen Bundesversammlung programmatisch nicht durchsetzten konnte. Da sich in den Bereichen der Wirtschaftspolitik und des § 218 StGB zum Schwangerschaftsabbruch auf dem Parteitag deutlich linkere Positionen durchsetzen konnten, zog Gruhl seine Kandidatur für den Bundesvorstand zurück. In der Folge waren die konservativen Kräfte stark verunsichert, was sich speziell bei den GRÜNEN, die aus der GAZ kamen deutlich niederschlug. Ob der Einfluß der bürgerlichen nur-Ökologen damit schon entscheidend geschwächt war, wurde wahrscheinlich in allen Kreisverbänden der Bundesrepublik diskutiert. Aber die Konsequenzen, die dieser "Linksruck" in Würzburg hatte, waren einmalig und nur aus der Dominanz der ehemaligen GAZ-Mitglieder in diesem Kreisverband zu verstehen.

Auf einer Mitgliederversammlung am 2.4.1980 trat der komplette Vorstand zurück und stellte einen Antrag auf Auflösung der Partei DIE GRÜNEN in Würzburg. Die Versammlung votierte mit 9 gegen 5 Stimmen für diesen Antrag. Von den enttäuschten ehemaligen GAZ-Mitgliedern wurde gegenüber der Presse versucht, ein Schreckensbild der neuen Partei DIE GRÜNEN zu vermitteln. Es wurde davon gesprochen, daß man vom sinkendem Schiff DIE GRÜNEN ins Rettungsboot der GAZ zurück wolle. Der von Baldur Springmann geprägte Ausdruck der "Melonenpartei", die außen grün innen aber rot sei, wurde ins Felde geführt. Der bisherige Vorstandssprecher Kallenbach ging sogar soweit zu behaupten, die Partei habe in Saarbrücken marxistische und verfassungswidrige Beschlüsse gefaßt.

Nicht mehr genau zu rekonstruieren ist, ob zu der Mitgliederversammlung, auf der die Auflösung beschlossen wurde, alle Mitglieder eingeladen waren oder ob der bisherige Vorstand diese inszeniert hatte, um überregionales Aufsehen zu erreichen. Dafür spricht die Behauptung des nachfolgenden Vorstandssprechers Christoph Trautner, auf einer Mitgliederversammlung am 1.3.1980 im Vorfeld des Saarbrückener Parteitages wären 19 von 40 Mitgliedern ausgetreten.

Für den Kreisverband Würzburg war aber auf jedem Fall eine schwierige Situation entstanden. Ohne Vorstand, und um die Hälfte geschrumpft, stand man im Mittelpunkt eines überregionalen Interesses der Presse.

Der umfangreichen Berichterstattung über diesen spektakulären Vorgang ist es zu verdanken, daß die Gründung der GRÜNEN in Würzburg auf Anfang Dezember 1979 zu datieren ist. Noch als Untergliederung der SPV (Sonstige Politischen Vereinigungen) - Die Grünen, also vor der Gründungsversammlung am 12./13.1.1980 in Karlsruhe. Bemerkenswert ist dies, weil in anderen Gegenden Unterfrankens die Tendenz vorherrschte, daß Gruppen, vergleichbar der bereits beschriebenen "Würzburger Umweltgruppe", die Gründung der Bundespartei kritisch beobachteten und diskutierten, ob es sinnvoll wäre eine Untergliederung der neuen Partei zu werden.
 
 

1.6 Ein früher Neuanfang der GRÜNEN in Würzburg
 
 

Die übrig gebliebenen 21 Mitglieder der GRÜNEN in Würzburg, von denen keine/r Erfahrungen mit einem Parteiamt hatte, brauchten ungefähr 10 Tage um sich auf die neue Situation einzustellen. Christoph Trautner wandte sich an die Presse mit der Mitteilung DIE GRÜNEN würden in Würzburg fortbestehen, und eine Auflösung wäre nach Landessatzung nur durch eine Urabstimmung möglich gewesen, was den Auflösungsbeschluß vom 2.4.1980 nichtig mache. Der damalige Landesvorsitzende, Dieter Burgmann, kam nach Würzburg, um die spontan in die Bresche gesprungenen Mitglieder Christoph Trautner und Ludger Beckmann bei Ihrer Rettungsaktion zu unterstützen. Er legte wert darauf zu unterstreichen: "Nirgends außer in Würzburg hat man einen so spektakulären Beschluß gefaßt". Natürlich war prioritär zu verhindern, daß in der Öffentlichkeit das Bild einer zerbrechenden Partei entstünde, nur wenige Monate nach ihrer mühsamen Gründung. Das Presseecho auf die Verlautbarungen, mit den GRÜNEN in Würzburg gehe es weiter, war zumindest genauso groß, wie auf den vermeintlichen Auflösungsbeschluß. Dabei wurde darauf Wert gelegt, zu dementieren, daß die in der Partei verbliebenen aus der linksradikalen Ecke wären. Dem ausgeschiedenen Vorstand wurden schwere Vorwürfe gemacht, und um weiteren programmpolitischen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, wurde angekündigt, man wolle verstärkt zu ökologisch fragwürdigen Projekten in der Umgebung arbeiten wollen.

Anläßlich dieser Krise, setzten sich auch andere Politiker mit der Rolle und dem Zustand der neuen Partei auseinander. Der SPD Bundestagsabgeordnete Kolbow hielt die GRÜNEN für ein: "labiles Interessenbündnis", das die Gefahr in sich trüge, durch Stimmengewinne im links-liberalen Lager ungewollt die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß zu unterstützen. Ferner wäre durch die Wahl des rechts-konservativen August Haußleiters in den Bundesvorstand der moralische Anspruch vieler grüner Sympathisanten enttäuscht worden.

Der "Main Post"-Kommentator Werner Barthel hob dem gegenüber zur gleichen Zeit in einer wohlwollend kritischen Einschätzung hervor, daß DIE GRÜNEN, nach dem Saarbrückener Parteitag, Positionen zu fast allen gesellschaftlich relevanten Fragen hätten, und nicht mehr nur zu ökologischen Themen.

Die Würzburger Restgrünen begannen sich mit der Wahl eines neuen Vorstandes, dem Christoph Trautner, Ludger Beckmann und Gertrud Junglas angehörten, auf die Teilnahme an den Bundestagswahlen im Herbst 1980 vorzubereiten. Im Zuge dieser Konsolidierung wurde in der Partei begonnen, die themenbezogene inhaltliche Arbeit in, auch für Nichtmitglieder offenen Arbeitskreisen zu leisten. Diese Struktur, und die Stellung der Arbeitskreise in der Partei, wurde in den folgenden Jahre ein parteiinternes Dauerthema.
 
 
 
 

2. Die Strukturen der Würzburger GRÜNEN
 
 

Für die Entwicklung einer Partei spielen auch ihre Arbeitsweise und die Strukturierung ihres Verbandes eine gewichtige Rolle. Dies gilt im besonderen wenn, wie bei den GRÜNEN üblich, die Parteiführung als im Prinzip rein ehrenamtlich konzipiert ist. Dabei war der basisdemokratische Überbau der Partei lange Zeit signifikant für die Effektivität in ihrem Handeln. Deshalb soll vor der Betrachtung der einzelnen Aspekte der organisatorischen Gliederung der Partei noch ein kurzer Exkurs zum spezifisch GRÜNEN Verständnis von Basisdemokratie stehen. Den Schwächen dieses Prinzips wurde im Verlauf der Entwicklung zwar in Ansätzen Rechnung getragen, was auf der anderen Seite wiederum kontraproduktiv im Hinblick auf das "anders sein", als die "etablierten" Parteien, war. In diesem Punkt liegt wohl ein ständiger struktureller Zielkonflikt vor. Ein weiteres Problem tat sich dabei durch die, bereits Mitte der 80er Jahre aufkommende, Forderung nach Professionalisierung, zumindest der innerparteilichen Arbeit, auf.
 
 

2.1 Exkurs zur Basisdemokratie
 
 

Basisdemokratie im Sinne der GRÜNEN war und ist eine Mischung aus strengen Elementen des rätedemokratischen Modells, in dem kollektive Gremien einzelnen Repräsentanten Handlungsanweisungen geben. Diese Weisungen sind quasi verbindlich, ohne das irgendwo ein imperatives Mandat festgeschrieben wurde, was auf der anderen Seite zu einem verstärktem Mißtrauen gegenüber dem Repräsentanten führen kann. Widersprüchlich dazu, aber im Sinne des Mißtrauens vorbeugend, besteht ein weiteres Prinzip in der völligen Transparenz aller Organe der Partei. Mitglieder, und teilweise nicht nur diese, sind auf fast allen Ebenen der Partei zumindest Rede- und Antragsberechtigt.

Daneben existierte noch der Ansatz, Politik könne im Prinzip von jedem gemacht werden, BerufspolitikerInnen führten zu Verkrustungen und Stillstand. Um dem entgegen zu wirken, wurden die ursprünglich sehr strengen Regeln zur Rotation und zur Trennung von Amt und Mandat entwickelt. Sie wurden in der Folge zwar auf allen Ebenen der Partei etwas entschärft oder umgangen, aber die Auseinandersetzung mit der Problematik eines eventuell elitären Berufspolitikertums, und langfristiger Angestellter, steht den GRÜNEN noch bevor.
 
 

2.2 Die Mitgliederentwicklung
 
 

Die Zahl der Parteimitglieder der GRÜNEN in Würzburg spiegelte deutlich die Attraktivität der Bundespartei wieder. Sie war eher unabhängig vom Profil der kommunalen Ebene und dem Erscheinungsbild der GRÜNEN im Würzburger Stadtrat. Nach einem Start mit ungefähr 40 Mitgliedern Anfang 1980, der kurzfristig durch den geschlossenen Austritt der ehemaligen Mitglieder der GAZ halbiert wurde, erreichte die Partei bis Ende des Jahres wieder einen Mitgliederstand von 46. Abgesehen von einem Einschnitt, der durch die Entstehung des Kreisverbandes Würzburg-Land 1986 verursacht wurde, stieg die Zahl der Mitglieder in einer ersten Phase kontinuierlich an. Sie erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt im Sommer 1987, trotz der Querelen zwischen Kreisverband und dem Stadtrat Ludger Beckmann, mit knapp über 100 Mitgliedern. Auffällig dabei war eine extreme Fluktuation unter der Mitgliedschaft. So gab es beispielsweise 1987 innerhalb eines Jahres 42 Eintritte, gleichzeitig verließen aber auch 31 Personen die Würzburger GRÜNEN. Was bedeutet, daß mindestens 40 % der Parteimitglieder in ihrem Abstimmungsverhalten auf Mitgliederversammlungen für den Vorstand nicht einschätzbar waren. Nach 1987 sank die Mitgliederzahl langsam aber stetig bis auf einen Tiefststand, der in Würzburg Anfang 1992 mit nur noch knapp 50 Mitgliedern erreicht wurde. In den Jahren 1992 bis 1996 konnte die Partei wieder einen kontinuierlichen Zuwachs verbuchen, der während des Vereinigungsprozesses mit dem BÜNDNIS 90 beschleunigt verlief. Seit Ende 1995 blieb die Mitgliederzahl des Würzburger Kreisverbandes mit zirka 100 Personen stabil.

Eine ähnliche Entwicklung der Mitgliedszahlen gab es auf allen Ebenen, jedoch bei weitem nicht so drastisch wie in Würzburg. So hatte der bayerische Landesverband seinen bisherigen Höchststand 1987 mit fast 6900 Mitgliedern erreicht. Am Wendepunkt des Abwärtstrends lag die Zahl der Mitglieder, ebenfalls Ende des Jahres 1992, bei knapp 5000, was einem Rückgang um 27 % entspricht. Demgegenüber fiel der des Würzburger Kreisverbandes mit zwischen 40 und 50 % noch deutlich dramatischer aus. Auch die Gesamtzahl der bayerischen GRÜNEN konnte bis 1997 ihren Wert von 1987 wieder erreichen, wobei die deutlichsten Zuwächse mit den Jahren 1995 und 1996 später lagen als in Würzburg. Auf Bundesebene war dieser Rückgang noch geringer.
 
 

2.2.1 Zusammensetzung der Mitglieder
 
 

Unter anderem aus dem Jahr 1987 liegen einige Informationen zur Zusammensetzung der Mitgliedschaft vor. Solche Berichte existieren leider viel zu wenige, die vorhandenen unterscheiden sich zwar in den absoluten Zahlen, aber nur gering in den Relationen. Daneben gibt es aber allgemeine Erhebungen zur Mitglieds- und Wählerstruktur der GRÜNEN. Trotz der frauenpolitischen Ausrichtung der Partei betrug ihr Anteil an den Mitgliedern in Würzburg 1987 nur 35 %, der Männeranteil lag dementsprechend bei 65 %. Dieses Verhältnis steht im Gegensatz zur Zusammensetzung der Wählerschaft der GRÜNEN. Sehr deutlich war dies bei der Landtagswahl 1994 in Bayern, bei denen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Stimmenanteil von 7,5 % der Frauen, aber nur 5,3 % bei den Männern erzielen konnte.

Der Anteil der Studierenden unter den Mitgliedern in Würzburg lag die meiste Zeit bei zirka 40 %, was für eine Partei, die ihre Anhängerschaft verstärkt in jüngeren Bevölkerungsschichten hat, in einer Universitätsstadt nicht besonders viel erscheint.

Die Altersstruktur der Mitglieder war stets eine von jungen Menschen geprägte. Ältere Menschen waren nur sehr selten Mitglied bei den GRÜNEN, dabei gab es in Würzburg eine erwähnenswerte Ausnahme. Eine Frau nämlich, die nach langjähriger Mitgliedschaft bei den GRÜNEN kurz vor ihrem 100. Geburtstag leider verstarb. Auffällig in der Altersstruktur ist eine Abweichung der abnehmenden Tendenz bei zunehmenden Alter, die bei den heute ca. 30 bis 45-jährigen etwas höher ist. Der Organisationsgrad, unter dem in diesem Zusammenhang der Anteil der durchschnittlichen Wählerschaft, die auch Mitglied der Partei sind, verstandenen wird, liegt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur bei knapp über 1 %, was ein sehr niedriger Wert, verglichen mit anderen in Parlamenten vertretenen Parteien, ist.
 
 

2.3 Der Vorstand
 
 

Die vier ehrenamtlichen VorstandssprecherInnen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden für zwei Jahre von der Mitgliederversammlung gewählt. Sie sind alle sowohl im politischen Sinne, als auch im geschäftlichen Bereich alleinvertretungsberechtigt. Demgegenüber sind die funktionalen Ämter des Kassierers und des Pressesprechers zwar stimmberechtigt im Vorstand, formal aber abhängig von Entscheidungen des Vorstandes. In der Vergangenheit gab es innerhalb des Vorstandes in Würzburg keine offenkundigen größeren Probleme durch Alleingänge eines Mitgliedes des Vorstandes. Abgesehen von der Vorbereitung der politischen Themen, und seit 1990 der Funktion als Bindeglied zwischen StadrätInnen und Partei, obliegen ihm geschäftliche Entscheidungen. Darunter fallen Aufgaben wie die Anmietung von Räumen, Einstellung von Personal, Anschaffung der Ausstattung, bis hin zur langfristigen Finanzplanung. Ein anderer Aspekt, der nicht zwangsläufig ist, sich jedoch immer stärker herauskristallisierte, besteht in der Vertretung des Kreisverbandes in den übergeordneten Gliederungen der Partei. Die Delegierten für Bezirks-, Landes- und Bundesversammlungen wurden zwar für jede Versammlung von der Mitgliederversammlung neu gewählt, waren aber jeweils mit wenigen Ausnahmen Mitglieder des Vorstandes. Ein Grund dafür dürfte darin liegen, daß den Vorstandsmitgliedern intern die größte Kompetenz zugetraut wurde. An solchen Delegiertenwahlen war zudem häufig abzulesen, welche Personen eine auf- beziehungsweise absteigende Machtposition im Kreisverband hatten.

Das Entscheidungspotential des Vorstandes hat mit der Zurückdrängung der basisdemokratischen Prinzipien der GRÜNEN auf allen Ebenen zugenommen. Bis ungefähr zum Jahre 1986 war der Vorstand des Würzburger Kreisverbandes mehr Verwaltungsinstitution, die abhängig von Entscheidungen des Delegiertenrates war. Danach wuchs der Einfluß des Vorstandes im gleichen Maße, wie der des Deligiertenrates bis zu seiner Abschaffung abnahm.
 
 

2.4 Die finanzielle Entwicklung des Kreisverbandes
 
 

In der Literatur wurde häufig geschrieben, daß die GRÜNEN, durch die Wahlkampfkostenerstattung für die Europawahl 1979, eine kräftige Anschubfinanzierung in Höhe von fast 5 Millionen Mark bekommen hätten. Diese Gelder trugen zur Schaffung von Parteistrukturen auf Bundes- und Landesebene bei. In den entstehenden Kreisverbänden konnte aber nicht mit einem Geldsegen aus dieser Richtung gerechnet werden. Aber die Finanzierung durch Gelder, die direkt oder indirekt staatlicher Herkunft sind, spielen bei den GRÜNEN – verglichen mit anderen Parteien – eine noch größere Rolle. Ursache dafür ist die relativ geringe Mitgliederzahl, gemessen an der Zahl der WählerInnen, verbunden mit einem geringen Spendenaufkommen. Gespendet wird an DIE GRÜNEN im wesentlichen von eigenen Mitgliedern, die auf Erstattung von Sachaufwendungen, wie Fahrt- und Unterbringungskosten, verzichten und diese dafür der Partei spenden. Eine weitere wichtige Einkommensquelle sind die Abführungen der MandatsträgerInnen der GRÜNEN, die auf allen Ebenen verpflichtet sind, einen Teil ihrer Diäten oder Aufwandsentschädigungen der Partei zu spenden. Auf der Ausgabenseite erhöhte sich der Anteil der Personalausgaben kontinuierlich. Er betrug beispielsweise im Landesverband Bayern 1995 bereits 63 %.

Der Kreisverband Würzburg wirtschaftete in seinen ersten Jahren mit einem Haushalt von deutlich unter, bis um die 10.000 Mark per Anno. Erst nach dem Einzug in den Bundestag 1983 und ersten Erfolgen bei den Stadtratswahlen 1984 besserte sich die finanzielle Situation der Partei deutlich. Gleichzeitig stiegen jedoch auch die Ausgaben, sowie die Abführungen an die Landes- und Bundesebene. Bemerkenswert dabei ist, daß trotz einer Steigerung der Mitgliedsbeiträge (für Vollverdiener auf über 400%, von 6,- DM pro Monat 1980 auf 25,- seit 1992) die Höhe des Parteihaushaltes in Würzburg, abgesehen von der Sonderaktion "Förderkreis", von 1990 bis 1996 nur geringfügig gestiegen war. Dies ist eine Folge des geringen Finanzierungsgrades über Mitgliedsbeiträge. Eine wichtige Rolle für die längerfristige Finanzplanung der Kreisverbände spielen Rückstellungen für die Wahlkämpfe der verschiedenen Ebenen. Besonders bedacht werden müssen die Kommunalwahlkämpfe, da sie sehr teuer sind, und auf der anderen Seite nur durch die Abführungen der MandatsträgerInnen der Partei wieder Gelder einbringen.
 
 

2.5 Die Infrastruktur
 
 

Ein organisatorisches Dauerthema bei den Würzburger GRÜNEN war die Frage nach eigenen Räumlichkeiten. Den Vorteilen einer festen Adresse für Interessierte und der Möglichkeit, Materialien für viele zugänglich aufzubewahren, standen Bedenken hinsichtlich der Kontinuität und der Finanzierbarkeit gegenüber. Noch problematischer waren lange Zeit Verhandlungen über eine Beteiligung der GRÜNEN aus dem Landkreis.

Trotz geringer Mittel und ungewisser Zukunft war bereits 1980 eine Mehrheit der Würzburger GRÜNEN für die Anmietung eigener Räumlichkeiten. Das erste Büro der GRÜNEN in Würzburg wurde im Mai 1981 in der Wagnerstraße 20 im Stadtteil Grombühl eröffnet. Dies war zu diesem Zeitpunkt nicht selbstverständlich und, angesichts der finanziellen Ausstattung des Kreisverbandes, auch nur aufgrund einer extrem niedrigen Miete möglich. Die meisten späteren Büros der GRÜNEN, entstanden erst nach dem Wahlerfolg 1983 als Regionalbüros von Bundestagsabgeordneten und seit 1986 von Abgeordneten des Bayerischen Landtages. In Unterfranken gab es später neben Würzburg Parteibüros in Aschaffenburg, Schweinfurt und zeitweise in Gemünden.

Nachdem die Räumlichkeiten in der Wagnerstraße Anfang 1985 wegen der Kündigung aufgegeben werden mußten, wurde ein Büro als Untermieter des Autonomen Kulturzentrums Würzburg bezogen. Diese beengten Räumlichkeiten in der Sartoriusstraße 2 waren als Provisorium, das jedoch 6 Jahre andauerte, gedacht. Im Herbst 1991 wurden schließlich Räume, die auch genügend Platz für Mitgliederversammlungen und kleine Veranstaltungen boten, in der Büttnerstraße 33 bezogen.

"Moderne" Technik, wie elektronische Datenverarbeitung oder Faxgerät fanden mangels finanzieller Priorität erst 1991 (Computer) und 1993, bei den GRÜNEN in Würzburg Einzug. Auch die Anschaffung eines Fotokopierers, der dann meistens doch angeschafft wurde, löste wegen des hohen finanziellen Aufwandes mehrmals Diskussionen im Vorstand aus.
 
 

2.5.2 Bezahlte Mitarbeiter in Würzburg
 
 

In direktem Zusammenhang mit dem Bürothema standen immer wieder Bemühungen, ein solches auch regelmäßig zu besetzen. Ursprüngliche Pläne, dies durch aktive Parteimitglieder unentgeltlich zu leisten, scheiterten stets über kurz oder lang. Sehr schlecht überliefert ist die Existenz eines Regionalbüros Unterfranken in Würzburg aus dem Jahr 1983, mutmaßlich bis 1985. Von den Tätigkeiten der damaligen Mitarbeiterin Eva Parusel gibt es keinerlei Unterlagen mehr. Im Frühjahr 1988 gelang es dem Kreisverband Würzburg, das Regionalbüro Unterfranken des Bundestagsabgeordneten Michael Weiß von Gemünden nach Würzburg zu holen. Bis zum Scheitern der GRÜNEN bei den Bundestagswahlen am 2.12.1990 übernahm die Stadträtin Benkert die damit verbundene Teilzeitstelle.Inzwischen hatte die Stadtratsfraktion eine eigene Teilzeitkraft für ihr Büro im Rathaus eingestellt, die seit 1992 auch stundenweise für den Kreis- und Bezirksverband tätig war. Dies war nur möglich, da nach 1990 die Finanzen des Kreisverbandes konsolidiert wurden. Mit dem Austritt Benkerts aus der Stadtratsfraktion Anfang 1994 verloren die GRÜNEN neben dem Fraktionsstatus auch diese Stelle. Eine Weiterbeschäftigung der Angestellten bis zu den Kommunalwahlen 1996 wurde nur durch die, vom Pressesprecher der GRÜNEN Michael Stolz initiierte Aktion Förderkreis möglich. Dabei erklärten sich einige Mitglieder und andere der Partei nahestehende Personen bereit, monatlich einen befristeten Betrag zwischen 20,- und 50,- DM zum ausschließlichen Zwecke der Weiterbeschäftigung der Bürokraft zu spenden. Entgegen den Erwartungen des Vorstandes konnte diese Aktion einen Großteil der Finanzierung der Stelle sicherstellen, auch wenn sie nicht den Ausfall von zirka 1100,- DM pro Monat in vollem Umfang einbrachte. Seit dem Wahlerfolg bei der Kommunalwahl 1996 beschäftigen sowohl die Fraktion als auch der Kreisverband unabhängig voneinander Mitarbeiter auf Teilzeitbasis.
 
 
 
 

3. Entscheidungsebenen und Satzungen der GRÜNEN
 
 

Die Strukturen und die Verteilung der Entscheidungskompetenzen spielten bei den GRÜNEN oft eine zentrale Rolle, gerade im Hinblick auf die kurzfristigeren Präferenzen der programmatischen Ausrichtung der Partei. Bereits vor der Gründung der Bundespartei war im Bund, genauso wie in den örtlichen Gliederungen, die Frage der Offenheit der Partei für Mitwirkung von außen ein beherrschendes Thema. Zum einen war allgemeiner Konsens, daß eine erfolgversprechende Gründung nur mit vielen, teilweise sehr unterschiedlich ausgerichteten, Kräften möglich war. Zum anderen gab es den Anspruch, als Bewegungspartei, anders und offener zu sein, als die bisherigen etablierten Parteien. Ob nur Mitglieder Stimm- und Rederecht auf Versammlungen der GRÜNEN haben, war bereits bei der Gründungsversammlung der Bundespartei in Karlsruhe und später immer wieder auf allen Ebenen eine strittige und wichtige Frage. Auf Bundesebene wurde diese Frage relativ schnell indirekt dadurch entschieden, daß nur ordentlich auf Mitgliederversammlungen der Kreisebene der GRÜNEN gewählte Delegierte stimmberechtigt sind. Damit wurde das Problem nach unten verlagert, da in vielen Kreisverbänden die Mitgliedschaft keine Bedingung für die Wahl als Delegierte/r ist.

Bis heute haben Kreisverbände Satzungsautonomie, und nur in Fällen, die durch eine örtliche Satzung, falls überhaupt vorhanden, nicht geregelt sind, gilt die entsprechende übergeordnete Satzung. Aus diesem Grund sind auch klassische GRÜNE Strukturmerkmale, wie die Rotation und die Trennung von Amt und Mandat, auf den verschiedenen Ebenen unterschiedlich geregelt.
 
 
 
 

3.1 Die Satzung der Würzburger GRÜNEN
 
 

In den ersten Jahren der GRÜNEN ist es naheliegend, bei der Strukturierung vor Ort, zwei Strukturierungsebenen zu unterscheiden. Zum einen die innerparteilichen Strukturen, zum anderen die offenen Strukturen, wobei die Übergänge lange Zeit fließend waren. Schließlich war es gewünscht, engagierte Menschen, die den Schritt von der Sammlungsbewegung hin zur Partei nicht oder noch nicht, mitmachen wollten oder konnten, nicht außen vor zu lassen. Ein zentrales Element des Übergangs zwischen inneren und äußeren Strukturen stellten die themenbezogenen Arbeitskreise dar. In Würzburg gab es in den Anfängen der Partei vier von ihnen: AK Kommunales–Regionales, AK Umwelt–Natur–Gesundheit, AK Theorie–Programm–Satzung und den AK Hafenlohrtal. Diese Arbeitskreise waren für alle Interessierten offen, und viele spätere Mitglieder kamen erst über eine längere Mitarbeit in einem Arbeitskreis in die Partei.

Erst zu Beginn des Jahres 1984 wurde bei den Würzburg GRÜNEN, auf Anregung des Landesvorstandes, begonnen, sich eine eigene Satzung zu geben. Ohne Satzung ist ein Kreisverband keine eigene juristische Person, sondern zählt nur als Untergliederung des jeweiligen Landesverbandes. Bis dahin waren alle strukturellen Entscheidungen der Partei Beschlüsse von Mitgliederversammlungen gewesen.

Die erste Satzung des Kreisverbandes vom 8.6.1984 spiegelte im wesentlichen die bis dahin bundesweit gültigen Strukturprinzipien der GRÜNEN wieder. Mit der Trennung von Amt und Mandat, der Unvereinbarkeit von mehr als zwei Vorstandsämtern auf verschiedenen Ebenen der Partei, sowie Regelungen zur Offenheit und Transparenz auch für Nichtmitglieder. Bemerkenswert an der Satzung des Würzburger Kreisverbandes ist, daß bereits 1984 die Rotation von Amts und MandatsträgerInnen nicht erwähnt ist. Im Gegenteil, beim Paragraphen über den Vorstand wurde betont: "Die Wiederwahl in den Kreisvorstand ist möglich." Darüber hinaus betonte man gegenüber der Öffentlichkeit bereits 1984, daß die Rotationsbestimmungen der Partei nach Ansicht der Würzburger GRÜNEN völlig abgeschafft werden sollten.

Die Offenheit nach außen wurde unter anderem dadurch zu verankern versucht, daß in den ersten Jahren der GRÜNEN üblich war, daß auf ihren Mitgliederversammlungen jede/r Anwesende Stimmberechtigt war, egal ob Mitglied oder nicht. Auch in der Satzung des Kreisverbandes vom 8.6.1984 hieß es noch, daß Nichtmitglieder im Einzelfall von Abstimmungen ausgeschlossen werden können. Dieses Prinzip führte häufiger zu intensiven Toleranzdebatten gleich zu Beginn von Mitgliederversammlung, wenn beabsichtigt wurde, nur Mitgliedern das Stimmrecht zu geben. Es wurde erst mit der Satzung vom 17.5.1990 aufgegeben, in der auch der Delegiertenrat durch den Koordinierungsausschuß ersetzt wurde.
 
 
 
 

3.2 Entscheidungsebenen der GRÜNEN in Würzburg
 
 

Analog zu anderen Parteien ist bei den GRÜNEN die Gesamtheit der Mitglieder das höchste beschlußfassende Organ der Partei. Im Konkreten wird diese Entscheidungsgewalt durch die Mitgliederversammlung, in Ausnahmefällen auch durch eine Urabstimmung aller Mitglieder, ausgeübt. Wie die Entscheidungsebenen einer Partei im Vorfeld der Mitgliederversammlung, bei den vielen tagespolitischen Fragen und den organisatorischen Aufgaben, aussehen, lohnt zumeist einer genaueren Betrachtung. Der Würzburger Kreisverband hatte in seinen ersten Jahren einen Parteivorstand, der aus drei gleichberechtigten VorstandssprecherInnen und der/m KreiskassiererIn bestand. Das Amt einer/s Pressesprecher/s/in kam erst im zweiten Jahr hinzu, wobei beide Ämter mit spezieller Funktion volles Stimmrecht im Vorstand haben, aber im Gegensatz zu den VorstandssprecherInnen nicht alleinvertretungsberechtigt für die Partei sind. Mit der Einführung der Quotierung der Parteiämter wurde die Zahl der VostandssprecherInnen in Würzburg auf vier erhöht. Trotzdem war der Gesamtvorstand mit wenigen Ausnahmen von Männern dominiert, da die Funktionsämter keiner Quotierung unterlagen. Neben dem Vorstand gab es immer noch ein Gremium, das andere Ebenen der Parteistrukturen miteinander verknüpfen sollte. Bis 1990 war dies der Delegiertenrat, der zeitweise die Stellung einer kleinen Mitgliederversammlung hatte, und damit deutlich wichtiger war als der Vorstand. Dieser wurde 1990 durch den Koordinierungsausschuß ersetzt, der ein Verbindungsorgan zwischen Stadtratsfraktion und Parteivorstand – in paritätischer Zusammensetzung – ist.
 
 
 
 

3.2.1 Arbeitskreise und Delegiertenrat
 
 

Die Anzahl und die Themenbezeichnungen der Arbeitskreise des Kreisverbandes änderten sich, abhängig von der Aktualität eines politischen Themas, häufig. So gab es beispielsweise im Frühjahr 1983 nur folgende Arbeitskreise: AK Frieden, AK Kommunalpolitik und AK Wasser. Danach, zu Beginn der Vorbereitungen für die Kommunalwahlen 1984, stieg die Zahl der Arbeitskreise sprunghaft an. Ein wesentlicher und bestimmender Faktor waren die Arbeitskreise von 1984 bis ungefähr 1989, als der Delegiertenrat der Arbeitskreise zwischen den Mitgliederversammlungen die Politik des Kreisverbandes bestimmte, und sowohl der Vorstand als auch die StadträtInnen nur als Arbeitskreis galten. Dieser Delegiertenrat tagte alle zwei Wochen, jede/r Anwesende, egal ob Mitglied der Partei oder nicht, war stimmberechtigt, nur mit dem Unterschied, daß der oder die vom Arbeitskreis gewählte Delegierte eine moralische Verpflichtung zur Anwesenheit hatten. Sowohl der Vorstand, als auch die Stadträte waren nach der Satzung an die Beschlüsse des Delegiertenrates gebunden, er galt als das basisdemokratische Instrument für die Tagespolitik. In dieser Konstruktion, die als Verbindungs-element zwischen Arbeitskreisen und Parteivorstand gedacht war, steckte spätestens mit dem Versuch, Stadträte als Arbeitskreis zu integrieren, ein ständiges Konfliktpotential. Dies spielte auch in der Krise um den Stadtrat Beckmann eine Rolle. Die Blüte der Struktur der Arbeitskreise ging Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre zu Ende, als auch die kontinuierlich arbeitenden Arbeitskreise Frieden und Energie mangels Beteiligung ihre Arbeit einstellen mußten. Schon vorher hatte das politische Gewicht des Parteivorstandes des Kreisverbandes zugenommen.
 
 
 
 

3.2.2 Der Koordinierungsausschuß
 
 

Durch den Niedergang der Arbeitskreise, und der Erfahrung, wie schwierig die Einbindung der StadträtInnen nach 1984 mittels des Delegiertenrates war, wurde dieser durch den Koordinierungsausschuß abgelöst. Der Koordinierungsausschuß hatte und hat noch immer die Aufgabe, die politische Arbeit der StadträtInnen und der Partei in Einklang zu bringen. Ihm gehören jeweils gleich viele Mitglieder des Vorstands und der StadträtInnen an. Zwar hatte im Koordinierungsausschuß jede/r Anwesende Antrags- und Rederecht, aber das Prinzip der Mitbestimmung jedes/r Interessierten wurde formell mit dem Koordinierungsausschuß weitgehend aufgegeben. Spätestens mit dem Verlust des Fraktionsstatusses der Stadtratsfraktion durch den Austritt der Stadträtin Bärbel Benkert am 14.2.1994 aus Partei und Fraktion, wurde der Koordinierungsausschuß praktisch unbedeutend. Statt dessen wurde die Politik des Kreisverbandes für Partei und Stadtrat, von einem Kollektiv aus den beiden verbliebenen StadträtInnen und dem Vorstand entwickelt. Erst mit dem Wahlerfolg bei den Kommunalwahlen 1996 kam dem Koordinierungsausschuß wieder eine Bedeutung zu. Die Fraktion bestand plötzlich aus 6 Personen, daher wurde auf das Modell zurückgegriffen, in dem jeweils 3 Mitglieder des Vorstandes und der Fraktion stimmberechtigt waren.
 
 
 
 

3.3 Rotation und Trennung von Amt und Mandat
 
 

Zwei strukturelle Merkmale des basisdemokratischen Selbstverständnisses der GRÜNEN waren die Regelungen zur Rotation und zur Trennung von Amt und Mandat. Bei der Rotation stellte sich auf den verschiedenen Ebenen der Partei sehr früh die Frage nach der Machbarkeit, beziehungsweise dem Verhältnis von Nutzen und Schaden dieser Regelung. Abgesehen davon, daß kein/e MandatsträgerIn zur vorzeitigen Aufgabe ihres/seines Parlamentssitzes gezwungen werden konnte, wurden bald die negativen Auswirkungen für ein kontinuierliches, produktives Arbeiten deutlich.

Auf Ebene des Kreisverbandes Würzburg war das Thema der Rotation nur Gegenstand theoretischer Erwägungen. Sehr früh, im Zuge der Diskussionen im Vorfeld der anstehenden Rotation der ersten Bundestagsabgeordneten, setzte sich in Würzburg die generelle Ablehnung der Rotation durch. Damit waren die Würzburger Delegierten auf der Bundesversammlung im Januar 1985 in Hamburg noch in einer Minderheitenposition. Auch auf Landesebene setzten sich die VertreterInnen des Würzburger Kreisverbandes kontinuierlich für die generelle Abschaffung von Rotationsregelungen ein, wobei aber immer eine satzungsändernde 2/3 Mehrheit, wenn auch manchmal nur knapp, verfehlt wurde.

Seit 1990 wurde mehrmals versucht, die in der Satzung des Kreisverbandes verankerte Trennung von Amt und Mandat abzuschaffen. Dies scheiterte jedoch an der dazu Notwendigen 2/3 Mehrheit solange, bis es den konkreten Fall gab, daß ein Vorstandsamt nur von einer Stadträtin besetzt werden konnte.
 
 
 
 

3.4 Das Frauenstatut
 
 

Die Gleichberechtigung zu verwirklichen, auch durch die Beteiligung von mehr Frauen an der politischen Macht, wurde im Gründungsjahr 1980 noch als Soll–Bestimmung in das Programm der GRÜNEN aufgenommen. Initiativen von Frauen und feministische Gruppen sollten auch einen Platz unter dem Dach der GRÜNEN finden. Die angestrebte Parität wurde jedoch durch eine Soll–Bestimmung bei weitem nicht erreicht, auch wenn der Anteil von Frauen auf allen Ebenen, verglichen mit anderen Parteien, außerordentlich hoch war. In neu entstandenen Frauenarbeitsgemeinschaften setzte sich die Forderung nach einer Mindestparität durch, die 1986, auch ohne nennenswerten Widerstand, auf einer Bundesversammlung in Hannover in die Satzung aufgenommen wurde.

Die Satzung der Würzburger GRÜNEN enthält seit dem 16.7.1987 ein Frauenstatut, das wesentlich kürzer ist, als die des Bundes- und des Landesverbandes. Inhaltlich gibt es einen kleinen, im Zweifelsfall aber nicht unerheblichen Unterschied, da im Würzburger Frauenstatut nur die Rede von Parität ist. Im Gegensatz zur Mindestparität heißt dies nicht, daß Wahllisten mit Frauenplätzen beginnen müssen.
 
 
 
 

3.5 Die Entstehung des Kreisverbandes Würzburg-Land
 
 

Im Raum Würzburg fanden sich alle Personen, die sich bei den Grünen engagieren wollten in der Stadt zusammen. Daher spielte auch bei der Gründung des GRÜNEN Kreisverbandes die Unterscheidung der tatsächlichen Kreise Würzburg Stadt und Würzburg Land keine Rolle. Erste Eigenständigkeit versuchten die GRÜNEN aus Ochsenfurt mit der Gründung eines Ortsverbandes Ende 1980. Am 25.1.1984 wurde zur Förderung der Entstehung von Ortsverbänden im südlichen Landkreis, gedacht war vor allem an Ortsverbände in Aub und Röttingen, aus dem Ochsenfurter Ortsverband ein eigener Kreisverband Würzburg Südlicher Landkreis, der dem Altlandkreis Ochsenfurt entsprach. Ferner konnten durch die Gründung eines eigenen Kreisverbandes selbständig Delegierte zu Bezirks- und Landesversammlungen entsandt werden. Der einwohnerstärkere Teil des Landkreises Würzburg-Land blieb, zusammen mit der kreisfreien Stadt Würzburg, Kreisverband Würzburg und nördlicher Landkreis der GRÜNEN. Der Reichenberger Ortsverband war der einzige aus dem Landkreis, der regelmäßig an den Sitzungen der Würzburger GRÜNEN teilnahm. Von seinen Mitgliedern wurde zwar einmal geklagt, daß Themen aus dem Landkreis zu kurz kämen, aber die Gründung eines eigenen Kreisverbandes scheiterte an dem mangelnden Interesse aus dem Landkreis. Die endgültige Ausrichtung der Kreisverbände nach den Grenzen der politischen Kreise, Kreisfreie Stadt Würzburg und Landkreis Würzburg, fand im Zuge der Vorbereitungen zur Landtags- und Bezirkstagswahl 1986 statt, da für den Landkreis eigene DirektkandidatInnen aufzustellen waren. Am 29.11.1985 wurde mit der Gründung des Kreisverbandes Würzburg Land der nördliche und der südliche Landkreis auch bei den GRÜNEN vereinigt. Formal wurde das Trennungsdatum auf den 1.1.1986 gelegt, wer bis dahin nicht explizit einen Zugehörigkeitswunsch gegenüber dem Vorstand geäußert hatte, wurde in den Kreisverband Ihres/seines Wohnortes eingebracht.

Anstehende Wahlen waren häufig der Anlaß, Gliederungen der Partei neu ins Leben zu Rufen. Die Würzburger GRÜNEN bemühten sich zum Beispiel auch vor den Landtagswahlen 1982 im Kreis Main-Spessart, Interessierte zur Gründung der GRÜNEN für diese Gebietskörperschaft zu bewegen.
 
 
 
 

3.6 Der Zusammenschluß zur Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
 
 

Beim Zusammenbruch der DDR vertraten DIE GRÜNEN bis zu den ersten freien Volkskammerwahlen eine Position der andauernden Zweistsaatlichkeit Deutschlands. Das geschah Analog zu der Mehrheit der Aktivisten in den Bürgerbewegungen der DDR, zu denen bereits Kontakte geknüpft worden waren. Als die im Februar 1990 in Berlin gegründete Grüne Partei der DDR, bei den Volkskammerwahlen nur 2% der Stimmen erhielt und das Bündnis 90 nur 2,9%, im Gegenzug aber das bürgerliche Lager, mit ihrem Eintreten für die Einheit die Wahlen gewannen, war man gezwungen anzuerkennen, daß die Bevölkerung der DDR ein rasches Zusammengehen mit der BRD wollte. Vor der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl beschlossen die Ost-Grünen einen Tag nach der Bundestagswahl am 2.12.1990 eine Fusion mit den GRÜNEN im Westen, um zusammen mit dem Bündnis 90 in den neuen Ländern zur Wahl antreten zu können. Nach dem von den GRÜNEN angestrengten Verfassungsgerichtsurteil vom 29.9.1990 galten für Ost und West getrennte Sperrklauseln von 5%. In Folge der Wahlniederlage der GRÜNEN in den alten Bundesländern und mit der Gewißheit, dem Bündnis 90 würde es nicht gelingen, sich als relevante politische Kraft allein zu etablieren, wurden Verhandlungen über das Zusammengehen begonnen.

Im Würzburger Kreisverband überwog die Skepsis, ob der Zusammenschluß mit den Bürgerbewegungen der neuen Bundesländer, den GRÜNEN neue Potentiale erschließen könnte. Hier vor Ort wurde eher auf die neu entstandenen GRÜNEN im Osten gesetzt, mit dem Hintergedanken, den Mitgliedern der anderen Organisationen, wie dem Neuen Forum und dem Bündnis 90, würde kaum etwas anderes übrigbleiben als sich den GRÜNEN anzuschließen. Daneben waren nach dem Schock wegen der Ergebnisse der Bundestagswahlen andere Themen relevanter, wie der Golfkrieg und der offen ausgebrochene Machtkampf innerhalb der Bundespartei. Erstes Zeichen eines Wandels in der Einstellung gegenüber den Bürgerbewegungen war eine dem Vorstandsprotokoll beigelegte Mailbox Nachricht eines GRÜNEN aus Dresden. In ihr wurde die Gründung einer Organisation mit dem Namen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen bekanntgegeben und als Modellprojekt für ganz Deutschland propagiert. Ein zentraler Satz dieser Verlautbarung war: "Mit dieser bisher einmaligen Bündniskonstellation in Deutschland verbindet sich die Option, die Schaffung einer gemeinsamen bundesweiten politischen Organisation aller bürgerbewegten und grünen Kräfte zu befördern." Das wirklich bemerkenswerte an dieser Nachricht besteht nicht nur in der Beschreibung des Konstruktionsaufbaues der neuen Organisation. Auch das Vokabular, wie "Grundkonsens" oder die Reihenfolge der Namensnennung, entspricht bereits dem der knapp zwei Jahre später aus der Vereinigung der GRÜNEN und dem Bündnis 90 hervorgegangen Partei.

Im Verlauf der Verhandlungen zwischen den GRÜNEN und dem Bündnis 90, schwenkte der Kreisverband der Würzburger GRÜNEN im Vergleich zu seiner Position von 1990 komplett um. Für den Vorstand gab es nun kein Zurück mehr, selbst leicht überzogene Forderungen des "kleinen Partners" BÜNDNIS 90 wurden als tolerabel hingenommen. Beispiel dafür war das Zugeständnis beim neuen Namen der Partei, oder das Akzeptieren einer Überrepräsentanz der neuen Länder auf Bundesversammlungen und im Bundesvorstand. Dabei spielten zwei Überlegungen eine wichtige Rolle: die Würzburger GRÜNEN hatten seit der Bundestagswahl 1990 einen enormen Mitgliederschwund, daher erhoffte man sich durch die Leistung eines solch schwierigen Einigungsprozesses, verbunden mit der Offenheit für andere Politikansätze, wieder an Attraktivität zu gewinnen. Daneben setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Erfahrungen und die zahlenmäßige Größe der West–GRÜNEN über kurz oder lang Fehlentwicklungen korrigieren könnte.

Der Assoziationsvertrag zwischen BÜNDNIS 90 und DIE GRÜNEN wurde von beiden Parteien am 17.1.1993 in Hannover beschlossen, und der Vereinigungsprozeß durch Urabstimmungen aller Mitglieder besiegelt. Nach der ersten gemeinsamen Bundesversammlung in Leipzig vom 14. bis 16.5.1993 benannte sich auch der Würzburger Kreisverband der GRÜNEN per Satzungsänderungsantrag in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um.
 
 
 
 

4. Programme und Beispiele der programmatischen Entwicklungen
 
 

Die Programmarbeit spielte bei den GRÜNEN eine sehr wichtige Rolle, auch weil sie sich nicht als Partei einer bestimmten Gesellschaftsschicht verstanden haben, sondern als ein heterogener Zusammenschluß von Kräften, die tiefgreifendere, teilweise sehr weitgehende gesellschaftliche Veränderungen bewirken wollen. Daher waren sie ständig bemüht, allen Strömungen in der Partei in programmatischer Hinsicht wenigstens etwas entgegen zukommen. Das gelang natürlich nicht immer, und führte zum Verlassen der Partei von einzelnen oder Gruppen, die sich nicht mehr genügend mit den programmatischen Entscheidungen der Partei identifizieren konnten. Als eigentliches Parteiprogramm gibt es bis heute nur das Programm, das 1980 direkt nach der Gründung der GRÜNEN entstanden war. Die neuerliche Standortbestimmung wurde durch die jeweiligen Wahlprogramme auf allen Ebenen der Partei im Zyklus der Legislaturperioden geleistet. Eine Ausnahme stellten die Wahlkampfplattformen dar, mit denen DIE GRÜNEN zu ihren ersten beiden Bundestagswahlkämpfen antraten. Kurze grundsätzliche weltan-schauliche Abrisse finden sich daneben in den Präambeln der Satzungen der Partei.

Durch die Vereinigung mit dem Bündnis 90, die formell in der ersten Hälfte des Jahres 1993 ihren Abschluß fand, wurde als inhaltliche Basis der Partei der Grundkonsens eingeführt. Er umfaßt 70 Grundpositionen oder Thesen und steht der Satzung voran.

Progamminhalte der GRÜNEN wurden hin und wieder als antagonistisch beschrieben, wie zum Beispiel die Forderung nach generellem Lebensschutz bei gleichzeitiger Forderung nach Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218 StGB. Hier Verbindungen zu schaffen, ebenso wie den vermeintliche Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie aufzubrechen, war das Anliegen der Programmarbeit vor allem nach der Wahlniederlage von 1990. Sie hatte jedoch ihren Ursprung bereits 1985 mit dem Entwurf des Umbauprogramms, der damaligen Bundestagsfraktion.
 
 
 
 

4.1 Programme auf lokaler Ebene
 
 

Die programmatische Arbeit auf lokaler Ebene war stets auch Ausdruck der Selbsteinschätzung der Akteure im Hinblick auf die Auseinandersetzung der Strömungen in der Bundespartei. Zwar wurde der vorherrschende programmatische Zeitgeist der Grünen nie negiert, schließlich ist ein Kreisverband durch seine Vertretung auf Landes- und Bundesversammlungen daran beteiligt gewesen, auch wenn die Position des Kreisverbandes nicht mehrheitsfähig war. Aber auf lokaler Ebene gab es immer die Möglichkeit, sich die Freiheit eines Spielbeines zu erhalten und Bundesbeschlüsse etwas moderater auszudrücken. Dies spielte in zweifacher Hinsicht eine maßgebliche Rolle. Zum einen ergibt sich vor Ort das Problem der persönlichen Auseinandersetzung mit den WählerInnen unterschiedlichster politischer Weltanschauung, mit denen keine Diskussion möglich ist, wenn nur programmatische Beschlüsse wiedergegeben werden. Zum anderen war der Landesverband Bayern der GRÜNEN mit wenigen Ausnahmen stets mehr im Sinne der bürgerlichen Ökologen und der "Realos" ausgerichtet.

Eine Zäsur in der Radikalität der Programme fand des weiteren durch die Repräsentanz GRÜNER Abgeordneter in den Stadtrat statt. Waren ursprünglich Beteiligungen an Wahlen häufig zum Darstellen einer Fundamentalopposition der außerparlamentarischen Bewegungen geplant. Es stellte sich für die Abgeordneten der GRÜNEN jedoch bald die Frage ihrer Glaubwürdigkeit, wenn sie sich allen anstehenden, nicht originär grünen Themen nur entziehen. In Würzburg wurde das bei den ersten Haushaltsberatungen des Stadtrates mit grüner Beteiligung sehr früh deutlich. Die Partei hatte beschlossen, nur Anträge zur Förderung des Autonomen Kulturzentrums und einer Sozialhilfestation zu stellen. Diese Position wurde von dem Stadtrat Beckmann, der sie im Stadtrat mitzuvertreten hatte als blamabel, empfunden. Mit seinem Standpunkt war er jedoch zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich alleine.

Demgegenüber arbeiteten besonders die Vorstände und Arbeitskreise von 1986 bis 1990 der Stadträtin inhaltlich sehr detailliert zu, und beschäftigten sich intensiv mit Sachfragen, die im Stadtrat behandelt wurden. Zusammen mit der verbliebenen Stadträtin Benkert wollten sich DIE GRÜNEN in Würzburg als kompetente Alternative darstellen. Zudem bestanden der Vorstand der Partei und viele der Träger der Arbeitskreise aus Studierenden, die etwas freier mit ihrem Zeitbudget umgehen konnten. Aus dieser Kombination entstanden in einigen Bereichen der Kommunalpolitik beinahe wissenschaftlich zu nennende Stellungnahmen und Konzepte. Diese Entwicklung wird im folgenden anhand von drei politischen Fragestellungen im Vergleich zu der Entwicklung der Position der Bundespartei deutlich. Es handelt sich dabei um die Themengebiete der Wirtschaftspolitik, der Energiepolitik, im speziellen der Atomkraftwerke, und der Friedens- beziehungsweise der Außenpolitik.
 
 
 
 

4.2 Entwicklung Grüner Wirtschaftspolitik
 
 

Am Beginn der Entwicklung der Programme stand das Bundesprogramm von 1980, daß zum Teil noch die Handschrift Herbert Gruhls trug, aber gleichzeitig auch der Parteilinken, durch systemkritische Aspekte im Hinblick auf den Kapitalismus, eine Heimat bot. Von 1983 an fand eine, bis zum Bundestagswahlprogramm von 1987 andauernde, stärkere Orientierung hin zu klassisch sozialistischen Betrachtungsweisen der Wirtschaft statt, was auch mit verstärkt benutzten sozialistischem Vokabular einherging. Zeitgleich waren auch die führenden Ämter der GRÜNEN hauptsächlich mit Parteilinken besetzt worden. Bis zum Bundestagswahlprogramm 1990 und noch deutlicher 1994 gab es eine Entwicklung, die Abschied von sozialistischen Wirtschaftsmodellen nahm. Der wirtschaftstheoretische Ansatz, lag nun stärker bei einer Marktwirtschaft, die sich durch deutliche ökologische Rahmenvorgaben selbst zu einem humaneren System umbaut.

Eine ähnliche Entwicklung gab es im Kreisverband der Würzburger GRÜNEN, die zwar nicht die radikale Ausprägung weltanschaulicher Gegensätze wie im Bundesverband hatte, aber am Beispiel der Veränderung der Meinung zum Tourismus in Würzburg deutlich wird. In der ersten Hälfte der 80er Jahre wurden städtische Investitionen im Bereich Tourismus, sei es beim Bau des Congress Centrums oder bei der Beteiligung an der Gesellschaft "Würzburg macht Spaß", strikt abgelehnt. In einer umfangreichen Studie aus dem Jahr 1987 wurde mit wissenschaftlichen Mitteln dargelegt, daß sich Investitionen im Bereich Tourismus unter einem Kosten-Nutzen-Aspekt nicht rechnen. Dies besonders bei Betrachtung des ökologischen Schadens für die Stadt und der Art der Arbeitsplätze, die durch den Tourismus entstehen. Diese Thematik wurde im Programm zur Kommunalwahl 1996 trotz dieser umfangreichen Vorarbeit nicht mehr angesprochen, die Funktion Würzburgs als Handels- und Dienstleistungszentrum aber positiv herausgestellt. Im internen Diskussionsprozeß der 90er Jahre wurde auch die wichtige wirtschaftliche Rolle des Tourismus für Würzburg anerkannt.
 
 

4.3 Die Stellungnahmen zur Energiepolitik und den Kernkraftwerken
 
 

DIE GRÜNEN waren auf allen Ebenen der Partei gegen eine weitere Nutzung der Kernenergie, was sich auch während ihrer 18-jährigen Geschichte nicht geändert hat. Sie wird für zu unsicher gehalten, und da eine Endlagerung der radioaktiven Abfallstoffe, die viele Generationen lange unzugänglich verwahrt werden müssen, bisher nicht gewährleistet werden konnte, wird diese Technologie auch weiterhin abgelehnt. Dazu kommt noch eine ineffiziente Verwendung von Primärenergieträgern, die durch Großkraftwerke ohne nennenswerte Kraft-Wärme-Kopplung vorprogrammiert ist.

Interessant ist aber nun die Betrachtung der Entwicklung dieser originären Position der GRÜNEN. Auf Bundesebene war die Forderung nach dem Ausstieg aus der Kernenergie von Anfang an in allen Programmen zentraler Bestandteil. Durch den Reaktorunfall in Tschernobyl im Frühjahr 1986, der auch den Ausstiegsbeschluß (innerhalb von 10 Jahren) eines SPD Parteitages in Nürnberg zur Folge hatte, wurde die Position der GRÜNEN deutlich entschiedener. Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 1987 wurde ein Atomsperrgesetz zur "akuten Abwehr von Gefahren gefordert", das ein Abschalten aller kerntechnischen Anlagen innerhalb von sechs Monaten vorsah. Im Wahlprogramm von 1990 ist zwar immer noch vom sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie die Rede, aber die Konkretisierung durch einen Maßnahmenkatalog war nicht mehr vorhanden. Eine Erklärung dafür liegt unter anderem darin, daß die Anti-Atomkraft-Bewegung und DIE GRÜNEN zwischen 1987 und 1990 ihre größten Erfolge hatten. Der Rückzug der Industrie aus dem Wiederaufarbeitungsprojekt in Wackersdorf, das Aus für den Brutreaktor in Kalkar sowie das Einstellen der Arbeit am Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentropp, waren ein deutliches Zeichen dafür, daß neue kerntechnische Projekte in Zukunft kaum zu realisieren waren. Demgegenüber stellte das Programm von 1994 einen Ausstieg innerhalb von ein bis zwei Jahren, im Falle einer möglichen Regierungsbeteiligung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Aussicht.

Selbst diese, den realen Verhältnissen eines Verwaltungs- und Rechtsstaates, angepaßte Forderung, wurde vom Würzburger Kreisverband als unrealistisch angesehen. In den eigenen Programmen spielte das "Nein zur Atomkraft" bis 1990 eine gewichtige Rolle, hatte man sich doch auch in vielfältiger Weise mit den Folgen von Tschernobyl und dem Widerstand gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf beschäftigt. Dagegen wurde im energiepolitischen Teil des Kommunalwahlprogrammes, die Kernenergie in einem Atemzug mit Kohle und Öl, als langfristig abzulösend genannt.

Bei der hier dargestellten Entwicklung sollte nicht der Eindruck entstehen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würden ihre eigenen politischen Grundsätze verlassen, vielmehr kann an ihr der desillusionierende Prozeß eines politisch verantwortlichen Handelns vor Ort abgelesen werden. Das Bewußtsein, daß die Würzburger GRÜNEN im Stadtrat, egal wie stark sie sind, es nicht schaffen werden, ein Kernkraftwerk vom Netz zu nehmen, war gewachsen. Trotzdem wurden natürlich gegen die Atomtransporte durch Würzburg 1997 Aktionen organisiert.
 
 

4.4. Außen- und Sicherheitspolitik
 
 

Analog zum Wandel der Atompolitik bei den GRÜNEN entwickelte sich die Partei in der Sicherheitspolitik. Mit einem entscheidenden Unterschied, der in der teilweisen Abkehr von einer Grundposition der Partei liegt. Einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg der GRÜNEN Anfang der 80er Jahre bestand darin, daß sie Teil der Friedensbewegung war. Auf die Hoffnungen einer friedlichen Koexistenz zwischen West und Ost, die nicht zuletzt durch die Ostverträge der Regierung Brandt gefördert worden war, folgte angesichts des NATO-Doppelbeschlusses 1979 eine sicherheitspolitische Diskussion in weiten Teilen der Gesellschaft. Durch die Beschäftigung mit militärischen Entwicklungen, wie dem mehrfachen atomaren "Overkill" und strategischen Konzepten wie der "Vorne Verteidigung", wuchs die Zahl der Menschen, die eine solche Politik ablehnten. An diesem Punkt waren die GRÜNEN die einzige Partei, abgesehen von einigen marxistischen Kleinstparteien, die eine andere Herangehensweise an sicherheitspolitische Fragen boten.

Die Mitarbeit in pazifistisch orientierten Friedensinitiativen war für viele, auch in Würzburg, der Ausgangspunkt eines späteren Engagements in der Partei DIE GRÜNEN. Personen, die in der Friedensarbeit einen wichtigen Abschnitt ihrer politischen Sozialisation hatten, spielten auch für die weitere Entwicklung der Würzburger GRÜNEN eine entscheidende Rolle. Zu nennen sind hier, Ludger Beckmann, Bärbel Benkert, Peter Hauck, Matthias Pilz, Michael Stolz, Benita Stolz und Clemens Matjak. Jedoch wurde in der Entwicklung der Personen und der programmatischen Positionen der Partei, das Zugehörigkeitsempfinden zu einer Strömung der GRÜNEN, nicht selten wichtiger als die im Arbeitskreis entstandenen Positionen. Eklatant wurde diese Entwicklung deutlich bei der innerparteilichen Auseinandersetzung um die Beteiligung der Bundeswehr an UNO- oder NATO-Einsätzen im ehemaligen Jugoslawien. Angesichts der erschreckenden Ereignisse und der ausführlichen Berichterstattung über "den Krieg vor der Haustür", ging ein Riß quer durch die Partei und ihre Strömungen. Nur die "Realos" und ihre Anhänger wechselten, nach anfänglichen Bedenken, quasi komplett in das Lager der Befürworter solcher militärischen Einsätze. In der Bundespartei waren sie damit zwar nicht mehrheitsfähig, dafür votierte aber, nachdem Joschka Fischer umgeschwenkt war, mehr als die Hälfte der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in diesem Sinne. Als auf einer Bundesversammlung in Bremen am 2. und 3.12.1995 noch einmal gegen ein Eingreifen der Bundeswehr in den Krisenregionen der Erde entschieden wurde, schickten die Würzburger ihren Delegierten mit einem Votum der Minderheitenposition für einen Militäreinsatz als ultima Ratio zu dieser Versammlung.
 
 
 
 

5. Nicht nur die Revolution frißt ihre Kinder
 
 

In den ersten Jahren der GRÜNEN kam es auf allen Ebenen der Partei relativ häufig vor, daß manche ihrer bekanntesten VertreterInnen in das politische Abseits gestellt wurden, sich selbst dorthin stellten oder sich gezwungen sahen, die Partei zu verlassen. Im wesentlichen geschah dies entweder, wenn jemandem glaubhaft vorgeworfen werden konnte, sich nicht an die basisdemokratischen Spielregeln der Partei gehalten zu haben. Andere Personen fielen den desintegrierenden Strömungskämpfen um die zukünftige Richtung der GRÜNEN zum Opfer. Manche überschätzten auch ihren Einfluß auf die Partei und verließen sie nach persönlichen oder inhaltlichen Abstimmungsniederlagen. Ein anderer Aspekt, der naturgemäß nur selten öffentlich wurde, waren Abwerbeversuche exponierter PolitikerInnen der GRÜNEN, vor allem seitens der SPD. Auf bundespolitischer Ebene seien hier der Rückzug von Rudolf Bahro, Lukas Beckmann, Jutta Ditfurth oder der Austritt von Otto Schily und sein Wechsel zur SPD genannt. Bei Schily wurde nach seinem Wechsel zur SPD bekannt, daß ihm für das Verlassen der GRÜNEN-Fraktion, ein sicherer Wahlkreis der SPD bei der Bundestagswahl 1990, in Aussicht gestellt wurde. Für die GRÜNEN aus den alten Bundesländern eher unvorstellbar, war ein Wechsel zur CDU. Anders scheint dies wohl für einige RepräsentantInnen aus den neuen Ländern zu sein, wie es 1996 der Übertritt Vera Wollenbergers und anderer, die der Bürgerbewegung der DDR entstammten, zeigte.
 
 

5.1. Der Machtverlust des Ludger Beckmann in Würzburg
 
 

Ludger Beckmann war nach dem Austritt der Mitglieder der GRÜNEN, die von der GAZ kamen, einer der Aktivposten, und nahm auch mehrmals Funktionen im Vorstand wahr. In der Öffentlichkeit wurde er schnell als "der" Würzburger GRÜNE bekannt. Parteiintern war sein Stand wohl deutlich schwieriger, bei der Aufstellung des Wahlvorschlages für die Stadtratswahl im Jahre 1984 erhielt er erst den dritten Listenplatz. Durch sein gutes Abschneiden bei den Wahlen gelang es ihm einen Platz auf der Liste gut zu machen und so eines der beiden Mandate zu bekommen, daß die GRÜNEN bei der Kommunalwahl in Würzburg erreicht hatten. Schon im Verlauf des Jahres traten Differenzen zur Partei und zur Stadtratskollegin Bärbel Benkert auf. Diese führten nach fast zweijährigen ständigen Auseinandersetzungen zum Austritt aus der Partei und zum Verlassen der Stadtratsgruppe der GRÜNEN.

Wie es soweit kommen konnte, und wie beide Seiten bei dieser Auseinandersetzung taktisch vorgingen, lohnt einer näheren Betrachtung. Sie ist exemplarisch für machtpolitische Prozesse, ohne daß sich jemand wirklich grundlegend von grünen Grundpositionen entfernt hatte.

Erste Spannungen zwischen dem Delegiertenrat, an dessen Beschlußlage die StadträtInnen der Partei theoretisch gebunden waren, und dem Stadtrat Ludger Beckmann traten bereits Ende 1984 auf. Dabei ging es um die Haushaltsberatungen der Stadt und um die Position des Pressesprechers. Auf Initiative von Bärbel Benkert und dem AK Finanzen wurde beschlossen, keine eigenen Anträge zum Haushalt 1985 zu stellen und ihn nur abzulehnen. Ludger Beckmann hatte aber in der Haushaltsdebatte Anträge gestellt, was ihm eine Rüge der Partei einbrachte. Er war vorher auch längere Zeit nicht bei den Sitzungen des Delegiertenrates anwesend gewesen. Eine zweite Konfliktlinie war durch einen Beschluß, nach dem alle Pressemitteilungen nur über den Pressesprecher an die Presse gegeben werden durften, zudem vorgezeichnet.

Nachdem auf einer Mitgliederversammlung Ludger Beckmann einem Antrag zur Neustrukturierung der Stadtratsarbeit gestellt hatte, und die Nichtbefassung des Antrages beschlossen wurde, stellte er die Vertrauensfrage. Zu diesem Zeitpunkt erhielt er auch noch das Vertrauen der Versammlung. Bei diesem Vorgang wurde klar, daß es größere Schwierigkeiten zwischen Ludger Beckmann und Bärbel Benkert gab. Beckmann wollte öffentliche Fraktionssitzungen unabhängig vom Delegiertenrat einführen, um ein Forum für seine Herangehensweise an die Stadtratsarbeit zu haben. Dies geschah im Gegensatz zu der in der Parteiarbeit stärker verankerten Kollegin Benkert. Nach diesen Differenzen wurde begonnen, den Machtkampf auch mittels der Presse zu führen, wobei der Vorstand eher bemüht war, das Image nicht zu beschädigen.

Der Konflikt mit dem Pressesprecher Jörg Töppner spitzte sich im Laufe des Jahres 1985 zu. Nachdem einzelne Arbeitskreise und Stadträte Pressearbeit ohne den Pressesprecher betrieben hatten, die auch von niemanden koordiniert worden war, plante der Vorstand eine Strukturreform mit der Stärkung der Stellung des Pressesprechers. Um diesem Bedarf Nachdruck zu verleihen, trat zum Zeichen des Neuanfanges der Vorstand komplett zurück. Gegen den Widerstand Beckmanns und des Arbeitskreises Müll, unter der Führung der Kreisrätin Margrit Seifert, fand der Plan des Vorstandes eine Mehrheit. Für die unterlegene Gruppe war dies Anlaß genug, ihre Mitarbeit im Kreisverband für beendet zu erklären und die Versammlung unter Protest zu verlassen.
 
 

5.1.1 War der Konflikt mit Beckmann Ausdruck des Machtkampf zwischen "Realos" und "Fundis"?
 
 

In der Presse wurde diese Auseinandersetzung zum Teil als die Würzburger Spielart des, auf Bundesebene sich zuspitzenden, Konfliktes zwischen "Fundis" und "Realos" angesehen. Dabei wurde die Gruppe um Beckmann und die Kreisrätin Margrit Seifert als die "Realos" angesehen, während der Vorstand, für den hauptsächlich Jörg Töppner agierte, und die Stadträtin Benkert in Richtung der "Fundis" angesiedelt wurden. Diese Einordnung war in Würzburg sehr problematisch und bei Betrachtung des Politikverständnisses der innerparteilich konkurrierenden Gruppen sogar eher umgekehrt.

Beckmann hatte seinen Rückhalt im dem Arbeitskreis, der sich mit dem Thema Müll beschäftigte. Dieser Arbeitskreis bestand im wesentlichen aus reinen Umweltschützern, die ihre Vorstellungen durch konkretes persönliches Handeln umsetzten wollten. Für sie war die außerparlamentarische Arbeit in Vorbildprojekten wichtig; dem gegenüber waren sie nur wenig daran interessiert sich mit politischen Strukturen der Partei zu befassen. Es herrschte in der Partei Einigkeit darüber, daß die in Würzburg auf Vereinsbasis begonnenen Projekte zur getrennten Müllsammlung – zum Zwecke der Wiederverwertung – unterstützenswert sind. Von Seiten des Vorstandes wurde aber die Frage diskutiert, ob es die Aufgabe einer Partei sein kann, die tragende Rolle in solchen Vereinen zu spielen. Dabei setzte sich die Meinung durch, daß die erfolgreiche flächendeckende Wiederverwertung von Metallmüll die Aufgabe der Stadt und nicht die einer Partei sei. In Folge dieser Auseinandersetzung trennte sich auch das parteieigene Projekt einer Altmetall-Müllabfuhr von der Partei mit der Begründung, bei den GRÜNEN gäbe es keine Mehrheit für langfristiges praktisches Arbeiten.

Die weitere Entwicklung der Positionen des Würzburger Kreisverbandes innerhalb der Landes- und Bundespartei, die zunehmend als klar realpolitisch einzuschätzen sind, sind ein Indikator dafür, daß es sich bei dem Konflikt mit Beckmann um einen machtpolitischen zwischen Personen gehandelt hat, in dem Elemente des Kampfes zwischen "Realos und Fundis" um die Vorherrschaft in der Partei benutzt wurden. Und das nicht zuletzt, weil die Akteure des späteren Vorstandes, hier seien vor allem Töppner, Benkert und Pilz genannt, die eindeutig "Realo"-gemäße Ausrichtung des Kreisverbandes vorangetrieben haben.
 
 

5.1.2 Die Isolierung und der Austritt des Stadtrates Beckmann
 
 

Im Laufe des Jahres 1985 war es immer wieder zu Unstimmigkeiten und, aus Sicht des Vorstandes, Alleingängen von Beckmann gekommen. Ferner war man bei der Frage der Entschwefelung und eventuellen Umrüstung des Heizkraftwerkes an der Friedensbrücke zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, und sich bei den Haushaltsberatungen für den Haushalt 1986 nicht über die Vorgehensweise einig. Als zudem der Vorwurf von der Stadtrats-Kollegin Benkert ins Felde geführt wurde, Beckmann habe frauenfeindliche und sexistische Äußerungen über sie gemacht, eskalierte die Situation. Bärbel Benkert warf Beckmann vor, er habe zu einem anderen Stadtrat, der sie nach einer Sitzung in seinem PKW mitnehmen wollte, gesagt: "Lassen sie sich dieses Angebot für eine Nacht doch nicht entgehen." In den folgenden Wochen bis zur nächsten Mitgliederversammlung versuchten beide Seiten, sich eine möglichst starke Ausgangsposition zu verschaffen. Beckmann überwies den vor seiner Wahl ausgemachten Anteil seiner Aufwandsentschädigung als Stadtrat nicht mehr der Partei sondern auf ein Sperrkonto. Der Delegiertenrat betrachtete dies als Erpressung und ließ ihn wiederum immer deutlicher spüren, daß er isoliert war.

Im Vorfeld der Mitgliederversammlung wurden die Mitglieder dreimal angeschrieben und mit neuen Stellungnahmen konfrontiert. Von beiden Seiten wird das Verhältnis als zerrüttet beschrieben. Seitens des Vorstandes wurde Beckmann mangelnde Anbindung an die Partei vorgeworfen, zum Teil hätte er sogar Parteibeschlüße mißachtet. Beckmann sieht im Vorstand Intrigen gegen sich laufen und beklagt das Mißtrauensprinzip, welches in der Partei herrsche. Ferner seien die Strukturen der Partei viel zu schwerfällig für ein schnelles Handeln im Sinne der ökologischen Sache. Nachdem er seine Vertrauensfrage zurückzog und seinen Rückzug vom Kreisverband ankündigte, wurde ihm auf Antrag des Vorstandes, mit 35 gegen 5 Stimmen, das Mißtrauen ausgesprochen. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, sein Stadtratsmandat zurückzugeben. Wie die Emotionen zum Teil diese Versammlung beherrschten, kann anhand eines Artikels, der knapp drei Wochen später erschien, nachvollzogen werden. Er war betitelt: "Beckmann, die Grünen und die Frauenfrage." In ihm wurde unter anderem über die Reaktionen von anderen Frauen auf die Anschuldigungen von Bärbel Benkert gegenüber Beckmann berichtet. Eine Frau hätte ihn als das letzte Schwein bezeichnet und zu Beckmanns Freundin meinte sie, mit so einem Partner könne man sich ja gleich aufhängen.

Beckmann trat zunächst nicht aus der Partei aus und unternahm auch nichts, um von seinem Mandat als Stadtrat entbunden zu werden. Nicht mehr genau nachzuvollziehen ist, inwieweit bekannt war, daß es nach der Bayerischen Gemeindeverwaltungsordnung nicht möglich ist, ein Mandat aus politischen Gründen zurückzugeben. Nach einigen Versuchen seinerseits, in der Partei auf Mitgliederversammlungen doch noch Mehrheiten zu finden, die aber nur auf Ablehnung stießen, versuchte er dennoch mit der Partei wieder ins Gespräch zu kommen. Anläßlich der Haushaltsberatungen für das Jahr 1987, im November 1986, wurde seitens des Vorstandes an die Adresse der Arbeitskreise noch mal betont, daß Anträge nur über den Delegiertenrat und die Stadträtin Benkert laufen dürften, keineswegs über Beckmann. Im Sommer 1987 wurde im Vorstand erwogen, sogar die Möglichkeit eines Parteiausschlußverfahrens in Betracht zu ziehen. Im September 1987 forderte Beckmann den Vorstand ein letztes mal zur Vermittlung und Zusammenarbeit auf, mit der Anregung, die Stadtratsgruppe könne doch mit dem Arbeitskreis Tagespolitik ihre Positionen erarbeiten. Dies wurde vom Vorstand und dem Delegiertenrat mit dem Hinweis auf die Beschlußlage der Partei zurückgewiesen. Daraufhin trat Beckmann, nachdem anhand dieser Haltung ihm gegenüber klar war, daß eine Besserung des Verhältnisses zwischen ihm und den Parteigremien nicht möglich war, bei den GRÜNEN aus. Er erwog seinen Rücktritt aus dem Stadtrat und versicherte, zu keiner anderen Partei wechseln zu wollen. Seinen Austritt begründete er gegenüber der Presse mit inhaltlichen und persönlichen Differenzen. Von Seiten der Partei wurde dazu nur festgestellt, daß dies sei die längst überfällige Konsequenz aus seiner mangelnden Bereitschaft, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren.

Beckmann blieb jedoch bis zum Jahr 1989 Mitglied des Würzburger Stadtrates. Seitens der Stadt wurde er offiziell als Stadtrat der GRÜNEN geführt. Im September 1989 verlor er durch einen Umzug in den Vorort Höchberg seinen Stadtratssitz. Der Nachrücker für das letzte halbe Jahr der Wahlperiode, Werner Karl, schloß sich der Fraktion der Freien Wählergemeinschaft an.

Nach der weiteren Entwicklung der Partei wäre das beschriebene Vorgehen heute eher unwahrscheinlich. Ein Aushängeschild der Partei wegen Verstoßes gegen basisdemokratische Prinzipien aus den GRÜNEN zu drängen, ist vor allem bei der Betrachtung der Eigenmächtigkeiten, die sich ein Joschka Fischer heute erlauben kann, nur schwer vorstellbar.
 
 

5.2. Werdegang der Stadträtin Bärbel Benkert
 
 

Bärbel Benkert war 1983 zu den GRÜNEN gekommen, und hatte es als engagierte und ambitionierte Frau geschafft, bei der Aufstellungsversammlung zur Stadtratsliste am 9.12.1983 Platz 1 der Liste zu bekommen. Bereits 1983 war bei den GRÜNEN die paritätische Partizipation von Frauen ein politisches Ziel, wenn auch noch nicht durch ein Frauenstatut in der Satzung verankert. Die meisten der Frauen, die vor 1984 bei den GRÜNEN stärker engagiert waren, kamen aus dem Landkreis, wie zum Beispiel Margrit Seifert. Ein schwieriges zwischenmenschliches Verhältnis, zwischen Benkert und dem Stadtratskollegen Ludger Beckmann war wohl mit eine Ursache für die Probleme, die Beckmann bereits kurz nach seiner Wahl in den Stadtrat mit der Partei hatte. Benkert hingegen hatte keine Probleme bei der Zusammenarbeit mit den basisdemokratischen Strukturen des Delegiertenrates der GRÜNEN in Würzburg. Sie akzeptierte die Inhalte, die in den Arbeitskreisen entstanden und vom Delegiertenrat als Position der GRÜNEN beschlossen wurde. Ihre Aufgabe als Stadträtin bestand in der Vertretung der Inhalte und Strategien, die unter der Zuarbeit der Parteigliederungen entstanden waren, nach außen. Nachdem Beckmann nicht mehr als GRÜNER Stadtrat galt, funktionierte diese Aufteilung zumeist zur beiderseitigen Zufriedenheit. Das lag unter anderem daran, daß die Arbeitskreise und der Vorstand in den Jahren von 1987 bis 1990 am intensivsten an der inhaltlichen Weiterentwicklung kommunaler Fragen gearbeitet hat. Durch die Verlegung des Regionalbüros des Bundestagsabgeordneten Michael Weiß von Gemünden nach Würzburg im Verlauf des Jahres 1988, bei der sie eine neu zu besetzende Teilzeitstelle bekam, wurde ihre Bedeutung für die Partei noch zentraler.

Da sie als einzige Person der Würzburger GRÜNEN über Erfahrung mit den Vorgängen im Stadtrat hatte, war zu erwarten, daß sie auch bei den Kommunalwahlen 1990 wieder die Liste anführte. Dies trat dann auch ein, zumal es im Würzburger Kreisverband keine ideologischen Bedenken gegen eine erneute Kandidatur gab. DIE GRÜNEN waren durch ihr Abschneiden bei der Kommunalwahl 1990 mit 3 VertreterInnen, also in Fraktionsstärke, in den Stadtrat eingezogen. Bärbel Benkert beanspruchte den Fraktionsvorsitz, den sie auch erhielt.

Nominell baute Benkert auch innerhalb der Partei ihre Position noch weiter aus. Als 1991 eines der Vorstandsämter, das durch eine Frau besetzt werden sollte, mangels Kandidatinnen frei geblieben war, wurde anläßlich der Bereitschaft von Bärbel Benkert, dieses Amt zu übernehmen die Satzung des Kreisverbandes geändert. Zuvor war es Benkert als Stadträtin per Satzung nicht erlaubt gewesen, für ein Parteiamt auf gleicher Ebene zu kandidieren. Einige andere Versuche, aus "realpolitischem" Ansatz heraus, die Trennung von Amt und Mandat aus der Satzung des Kreisverbandes zu streichen, waren stets an der dazu notwendigen 2/3 Mehrheit gescheitert. In den Jahren 1991 und 1992 war sie bezüglich ihrer Funktionen, die sie bei den GRÜNEN innehatte, auf dem Höhepunkt ihrer Einflußmöglichkeiten. Benkert war Stadträtin und Fraktionsvorsitzende in Würzburg, Vorstandssprecherin im Kreisverband, und außerdem gehörte sie noch dem Bezirksvorstand Unterfranken an. Bei den längerfristigen Planungen für das Wahljahr 1994 war ihrerseits sogar ein überregionales Engagement nicht ausgeschlossen.
 
 

5.2.1 Rückzug und Austritt von Bärbel Benkert
 
 

Bereits 1992, in Anklängen auch schon zuvor, deutete sich ein Mißverhältnis zwischen der Vielzahl der Funktionen, die Bärbel Benkert in der Partei wahrnahm und ihrer tatsächlichen Leistungsbereitschaft und Einsatzkraft an. Im Gegenteil, wohl auch aufgrund persönlicher Probleme, erfolgte ein allmählicher Rückzug aus der Partei ihrerseits. Gleichzeitig wurden ihre FraktionskollegInnen, Benita Stolz und Matthias Pilz zunehmend unzufriedener mit Bärbel Benkerts Engagement in der Stadtratsarbeit. Aus diesem Grund wurde auch über einen Wechsel im Fraktionsvorsitz nachgedacht. Diesen Überlegungen kam Benkert jedoch am 14.2.1994 durch ihren Austritt aus Partei und Fraktion zuvor, der für viele GRÜNE sehr überraschend kam. Sie begründete ihren Austritt mit inhaltlichen Differenzen in lokalpolitischen Fragen, wie der angedachten Verlegung des Mozartgymnasiums, die sie befürwortete. Außerdem hätte es persönliche Anfeindungen der Grünen gegen sie gegeben, die in einer Fraktionssitzung vom 8.2.1994 darin gipfelten, daß sie zum Verlassen des Stadtrates wegen angeblich mangelnder Leistung aufgefordert worden sei.

Für die Würzburger GRÜNEN war dieser Austritt ein herber Rückschlag, da mit ihm der Fraktionsstatus der Stadtratsgruppe verloren ging. Nur Fraktionen hatten Anspruch auf Räumlichkeiten im Rathaus und erhielten zusätzliche Mittel der Stadt, die unter anderem zur Bezahlung einer Teilzeitkraft verwendet worden waren. Der Parteivorstand wählte – zusammen mit den verbliebenen StadträtInnen – als angemessene Reaktion auf Benkerts Austritt eine Strategie der Schadensbegrenzung. In der Öffentlichkeit wurde das Bedauern über die Entscheidung Benkerts betont und ihre Verdienste für die Entwicklung der Partei gewürdigt. Auch wenn einzelne kritische Bemerkungen zu Benkerts Austritt von Mitgliedern des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geäußert wurden, war man sich einig, auf keinen Fall schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen zu wollen.

Durch den Austritt Bärbel Benkerts war für die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Würzburg eine schwierige Situation entstanden. Zum zweitenmal in der kurzen Parteigeschichte hatte man seine/n prominenteste/n VertreterIn vor Ort verloren. Es gab auch eine gewisse Unsicherheit, inwieweit solche Ereignisse der Darstellung in der Öffentlichkeit, und damit den Zielen der Partei schaden würden. Daher stellte sich schon die Frage, wer oder was an solchen Prozessen schuld sei, oder wie sie im Vorfeld zu verhindern seien. Die Bezirksrätin Christine Burger, die in den 80er Jahren in Vorstand und Delegiertenrat mit allen drei Mitgliedern der Fraktion von 1990 bis 1994, eng zusammengearbeitet hatte, meinte damals: "Wenn ich die Versionen des entscheidenden Fraktionsgespräches vom 8.2.1994 miteinander vergleiche, habe ich den Eindruck es seien zwei verschiedene Gespräche gewesen." Der Versuch einer Vermittlung durch eine unbefangenere vierte Person, oder eine Schlichtung durch ein Parteigremium war trotz der angespannten Situation innerhalb der Fraktion von keiner Seite angegangen worden.

Ob Bärbel Benkert sich bei zunehmenden Schwierigkeiten in ihrer Fraktion von der SPD-Fraktion habe abwerben lassen, ist auch noch in Erwägung zu ziehen. Immerhin hatte sie mit ihrem Austritt der Presse gegenüber eine Fraktionsgemeinschaft von ihr und der SPD angekündigt. Knapp 5 Monate später bestätigte sie gegenüber einem Journalisten des Volksblattes, inzwischen auch Mitglied der SPD zu sein. Eine objektive Antwort hierauf ist jedoch derzeit noch nicht zu erwarten, da alle drei damaligen StadträtInnen auch noch heute Mitglied dieses Gremiums sind.
 
 
 
 

6. Wahlen und Wahlkämpfe
 
 

Die Teilnahme an Wahlen, mit den dazugehörigen Vorbereitungen, wie Programmerstellung, Aufstellung von KandidatInnen sowie Planung und Durchführung eines Wahlkampfes nahm zwangsläufig viel Raum in der innerparteilichen Arbeit ein. In den Vorbereitungsphasen für Wahlen gewannen die GRÜNEN auch häufig an Attraktivität für neue Mitglieder. Ob eine ungewöhnlich lange Phase ohne Wahlen zwischen 1987 und 1990, neben den sonstigen Faktoren, wie der innerparteilichen Zerrissenheit und der Zuspitzung auf die Kanzlerfrage 1990, ähnlich wie 1980 bei der Zuspitzung Strauß oder Schmidt, eine Rolle gespielt hat, wäre ein lohnendes Feld für weitere Untersuchungen. Auf alle Fälle scheint klar, daß bevorstehende Urnengänge es vermochten, Konfliktlinien innerhalb der Partei für eine gewisse Zeit zu überdecken.
 
 
 
 

6.1. Wahlen zum Europäischen Parlament
 
 

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament haben DIE GRÜNEN seit ihrem Bestehen immer überdurchschnittlich gut abgeschnitten, eine kleine Ausnahme war die Wahl 1989, bei der sie das sehr hohe Niveau, der vorangegangenen Bundestagswahl 1987 nur halten konnten. Ansonsten lag ihr Ergebnis meistens zirka 2 % über den vergleichbaren Bundestagswahlen. Für das gute Abschneiden dürften zwei Besonderheiten dieser Wahlen eine wichtige Rolle spielen. Zum einen die sehr niedrige Wahlbeteiligung, demgegenüber sind Wähler der GRÜNEN hochmotiviert und informiert, was bei ungefähr gleichen absoluten Zahlen, im Vergleich beispielsweise zu Bundestagswahlen, zu deutlich erhöhten Prozentwerten führt. Zum anderen die geringere Bedeutung, die Europawahlen in großen Teilen der Bevölkerung hat, was zu einer Abnahme des taktischen Wahlverhaltens bezüglich der Regierungsbildung führt.

Die Wahlkämpfe für die Wahlen zum europäischen Parlament 1979 und 1984 sind sehr schlecht überliefert. Für 1979 mag das daran liegen, daß die GRÜNEN in Würzburg erst nach der Wahl gegründet wurden und somit, wenn überhaupt, der Wahlkampf im wesentlichen von der GAZ geführt wurde. Für 1984 finden sich in den Unterlagen des Kreisverbandes nur Hinweise zu zwei Veranstaltungen, die wohl im Rahmen des Wahlkampfes abgehalten wurden. Ansonsten wird deutlich, daß die GRÜNEN in Würzburg zu dieser Zeit vollauf mit der neuen Situation im Stadtrat vertreten zu sein, und einigen anderen Dingen, beschäftigt waren. Nach den Unterlagen des Kreisverbandes sah es bei den Wahlen zum Europaparlament 1989 ähnlich aus. Es wurde zwar ein Wahlkampf geführt, aber die Vorbereitungen für die Kommunalwahl 1990 wurden deutlich präferiert. Mit dem Ergebnis von 12 % der Stimmen in Würzburg, lag man deutlich über Landes- und Bundestrend, was freilich hoch zufrieden stimmte.

Nur für 1994 ist für Würzburg ein spezieller Wahlkampf zum Europäischen Parlament überliefert. Mit Claudia Roth, Wolfgang Ullmann und Daniel Cohn-Bendit hatte man die wohl bekanntesten Personen auf den vorderen Plätzen der bundesweiten Liste zu Veranstaltungen nach Würzburg bewegen können. Daneben gab es noch eine mit dem einzigen, auf einem aussichtsreichen Listenplatz stehenden, Kandidaten aus Bayern Wolfgang Kreißel-Dörfler. Der Wahlkampf wurde in dem Tenor geführt, daß man die einzige Partei sei, die wirklich bereit wäre, Macht an das Europäische Parlament abzugeben, ferner wurde gegen eine "Festung Europa" im Hinblick auf Asyl- und Einwanderungspolitik argumentiert. Mit 15 % der Wählerstimmen in Würzburg war die Europawahl 1994 die bisher erfolgreichste Wahl überhaupt.
 
 

6.2 Wahlen zum Deutschen Bundestag
 
 

Für Die GRÜNEN war es immer klar, daß grundlegende gesellschaftliche Veränderungen nur auf Bundesebene effektiv zu verwirklichen sind. Daher kamen den Bundestagswahlen stets eine hohe Bedeutung zu, und mit dem Abschneiden waren Hoffnungen und Enttäuschungen verbunden. Der Schock des verpaßten Einzugs 1990 saß tief, so daß einige sogar die Überzeugung vertraten, im Wiederholungsfalle wäre dies ein klares aus, für das "Grünen Projekte." Die Gegenrichtung bestand immer in einer Haltung nach dem Motto: "Dann müssen wir halt wieder von unten Anfangen."
 
 

6.2.1 Bundestagswahlen 1980
 
 

Die Grünen traten 1980 zum erstenmal zu Bundestagswahlen an, und machten sich angesichts des überraschend guten Abschneidens mit 3,2 % bei den Wahlen zum Europäischen Parlament große Hoffnungen, zumindest in die Nähe der 5 % Klausel zu kommen. Die Aktivitäten der GRÜNEN wurden zu dieser Zeit auch schon von vielen Seiten interessiert beobachtet. Der Würzburger SPD-Vorsitzende Loew warnte davor, die GRÜNEN zu unterschätzen. Auf einer Wahlkampfkundgebung auf dem Oberen Markt in Würzburg waren der ehemaligen Bundesvorstand August Haußleiter und die Spitzenkandidatin aus dem Bundesvorstand Petra Kelly vertreten. Vorgestellt wurden sie vom Direktkandidaten des Würzburger Wahlkreises, Walter Außenhofer. Haußleiter sprach auf dieser Kundgebung von Pazifismus, Kreislaufwirtschaft und in diesem Zusammenhang von lebenslang haltbarer Kleidung. Die Wahlergebnisse von 1980 waren ernüchternd bis enttäuschend. Im Bundesdurchschnitt wurden 1,5 % erreicht, in Bayern 1,3 % und in Würzburg 1,8 %. Als Reaktion darauf sah man fürs erste die größten Chancen für die GRÜNEN bei konkreten Projekten auf lokaler und regionaler Ebene.
 
 

6.2.2 Bundestagswahl 1983
 
 

Durch den Wechsel der FDP von der Regierung Schmidt zur Regierung Kohl kamen die nächsten Bundestagswahlen schneller als erwartet. Inzwischen hatten die GRÜNEN einige Erfolge bei Landtagswahlen erzielt und machten sich Hoffnungen, diesmal den Sprung nach Bonn zu schaffen. Erkennbar war das auch an den großen Bemühungen, die sich DIE GRÜNEN auf allen Ebenen der Partei machten. Angefangen mit der bundesweit eingesetzten "Grünen Raupe", einer Aktion mit der namhafte Künstler für ein Minimum an Gage für die GRÜNEN Veranstaltungen abhielten. Dabei zog eine Kerntruppe mit einem alten, von Joseph Beuys umgestalteten Bus, durch die Republik. In Würzburg fand diese Veranstaltung am 16.2.1983 vor 3000 Zuhörern in der Carl-Diem-Halle statt. Neben dem Bundesvorstand Rainer Trampert, der nur kurz sprach, traten in Würzburg Künstler wie, Ludwig Hirsch, Ulla Meineke, Heinz Rudolf Kunze, Schroeders Roadshow und andere auf. Auch der weitere Wahlkampf wurde mit maximalem Einsatz geführt. Neben einer Veranstaltung mit Carl von Amery gab es eine mit Gerd Bastian, der aufgrund seiner Generalszeit in Veitshöchheim sogar überlegt hatte, ob er sich nicht als Direktkandidat für Würzburg bewerben sollte. Der thematische Schwerpunkt des Wahlkampfes 1983 lag in der Abrüstungs- und Friedenspolitik, wie auch an der Auswahl der Referenten zu erkennen war. Direktkandidat wurde der spätere Stadtrat Ludger Beckmann, der angesichts der Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses auf einer Veranstaltung polemisierte: "Wo sind nur die konservativen Gläubigen, die erkennen, daß die Atomwaffen, die endgültige Kreuzigung Christi, auf dieser Welt sind!". Mit bundesweit 5,6 % der Stimmen gelang es den GRÜNEN bei der Wahl am 6.3.1983 erstmals, in den Bundestag zu kommen. In Würzburg erzielte die Partei einen Stimmenanteil von 6,2 % der gültigen Zweitstimmen.
 
 

6.2.3 Bundestagswahl 1987
 
 

Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl am 26.4.1986, ergab sich aus Sicht der GRÜNEN als Hauptthema für den Bundestagswahlkampf 1987 der sofortige Ausstieg aus der Atomindustrie. Daneben wurden die Positionen zur Gleichstellung von Frauen und zur Abrüstung in West und Ost hervorgehoben. In diesem Wahlkampf wurde zum erstenmal konkret auf die neuentwickelten wirtschaftlichen Vorstellungen der GRÜNEN eingegangen. Sie fanden ihren Ausdruck in dem von der Bundestagsfraktion erstelltem, und von einer Bundesversammlung 1986 beschlossenen Programm: "Umbau der Industriegesellschaft." Obwohl der SPD-Kanzlerkandidat von 1987, Johannes Rau, eine Koalition mit den GRÜNEN weit von sich gewiesen hatte, wurde bei den GRÜNEN diese Frage ernsthaft und sehr kontrovers diskutiert. Eine Mehrheit in der Partei entschied sich aber dafür, erst einmal das Ergebnis der Wahlen abzuwarten.

Der Wahlkampf in Würzburg wurde mit Plakatierungen, Informationsständen und Veranstaltungen gut durchgeplant. Der Kreisverband versuchte Otto Schily und Waltraud Schoppe nach Würzburg einzuladen, beides schon damals Vertreter gemäßigter Positionen, die aber absagten. Durchgeführt wurden Abende mit Christian Ströbele und dem Bundesvorstand Lukas Beckmann. Mit 8,3 % erzielten Die GRÜNEN ihr bislang bestes Ergebnis auf Bundesebene. Der Zweitstimmenanteil in Würzburg betrug 10,5 %. Auf den Direktkandidaten Karl-Heinz Klaiber entfielen mit 9,8 % nur unwesentlich weniger Stimmen.
 
 

6.2.4 Bundestagswahl 1990 - Der Einbruch
 
 

Bei der Bundestagswahl 1990, unmittelbar nach dem Beitritt der Länder der ehemaligen DDR, dominierte die Deutschlandpolitik. Daneben gab es einen damit zusammenhängenden, auf die Kanzlerfrage Kohl oder Lafontaine hin stilisierten Wahlkampf. In der Partei DIE GRÜNEN war klar, daß man es bei diesen Wahlen schwer haben würde, das Ergebnis von 1987 zu halten. Schlechte Werte bei den Umfragen, im Herbst 1990 lag die Partei bei 6 %, sowie das Hauptthema, wie die Einheit wirtschaftlich zu bewältigen sei, waren ungünstige Voraussetzungen für das Einbringen eigener Stärken. Dazu kam noch eine Wahlkampfplanung, die diese Ausgangssituation fast ignorierte. Eines der Hauptplakate hatte den Spruch: "Alle reden von Deutschland - Wir reden vom Wetter." Gemeint waren damit natürlich die bereits meßbaren Klimaveränderungen, die durch den Treibhauseffekt hervorgerufen werden. Aber mit solch einer Ironie lag man 1990 komplett neben den Themen der Zeit.

Im Bewußtsein der schlechten Voraussetzungen, wurde zwar versucht, durch hohe Präsenz im Wahlkampf die Verluste gering zu halten. Deutlich wurde diese Selbsteinschätzung der Partei beispielsweise durch ein Großplakat, das von den Würzburger GRÜNEN gestaltet wurde, mit Aussagen wie: "Ein Bundestag ohne Grüne wäre wie..., Konzert ohne Räuspern, Heuhaufen ohne Nadel, Nippel ohne Lasche, Schneewittchen ohne Zwerge, Sprüche ohne Pep... (und ähnlichem) ... deshalb: Keine Experimente - Grüne in den Bundestag." Daran ist zu erkennen, daß ein Bewußtsein für die Situation vorhanden war, wenn auch das tatsächliche Ergebnis, das Verpassen der 5 % Hürde, ein Schock für die ganze Partei war. Die Grünen erreichten im Westen 4,8 % und im Osten 6,1 % der Zweitstimmen, da bei der Wahl 1990 getrennte 5 % Klauseln für beide Wahlgebiete galten, konnten nur einige Abgeordneten der Listenverbindung aus den neuen Ländern in den Bundestag einziehen. In Würzburg lag das Ergebnis mit 6,6 % um fast 4 % unter dem von 1987, damit waren hier die Verluste sogar noch ein wenig höher als im Bundesdurchschnitt.
 
 

6.2.5 Bundestagswahlen 1994
 
 

Zur Bundestagswahl 1994 traten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nach der erfolgreich abgeschlossenen Vereinigung der beiden Parteien, mit dem erklärten Willen an, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen. Neu in dem Programm von 1994 war auch die konkrete Beschreibung einer Ökosteuer, die aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Senkung von Lohnnebenkosten in Verbindung gebracht wurde. Diese Diskussion gab es auf dem Programmparteitag in Mannheim zwar, wurde aber von der Mehrheit der Delegierten aus folgendem Grund verworfen: bei zunehmender ökologischer Produktionsweise würde langfristig ein immer geringeres Aufkommen aus dieser Steuer anfallen, was auch erwünscht wäre. Daher solle man eine solche Einkunftsquelle nicht mit der Dauerlast von Subventionen im Bereich der Lohnnebenkosten belasten. Der Wille, als erste Partei in der Geschichte der Bundesrepublik den Wiedereinzug in den Bundestag zu erreichen, nachdem man 1990 an der Sperrklausel gescheitert war, war auf allen Ebenen der Partei zu spüren. Wobei dieser Blickwinkel nicht ganz richtig war, schließlich gab es die kleine Bundestagsgruppe aus den neuen Ländern. Aber erkennbar war dieser Wille zum Beispiel an der Ankündigung Joschka Fischers, sein Ministeramt aufgeben zu wollen, um 1994 für den Bundestag zu kandidieren; damit ging er bereits im Herbst 1992, ohne Not, an die Öffentlichkeit.

In Würzburg fand 1994 ein Dauerwahlkampf statt, waren doch außer den Wahlen zum Europäischen Parlament im Frühsommer noch Landtagswahlen am 25.9.1995 und drei Wochen später schließlich die Wahlen zum Bundestag. In der ehemalige Landtagsabgeordneten vom Kreisverband Aschaffenburg, Christine Scheel, die auf der Bayerischen Landesliste für den Bundestag auf Platz eins gewählt worden war, hatten die Würzburger eine gute Bekannte, quasi aus der Nachbarschaft, die zu beiden Wahlkämpfen einsetzbar war. Daneben gab es noch Veranstaltungen mit Ludger Vollmer und Jürgen Trittin. Joschka Fischer hatte bereits für den 1.9.1994 zugesagt, nahm dann aber zu diesem Termin an einem Pressegespräch in Miltenberg teil.

Das Ergebnis lag 1994 mit 7,3 % im Bundesdurchschnitt, immerhin 1 % unter dem von 1987, in Würzburg wurden 9,9 % erreicht.
 
 

6.3 Landtags- und Bezirkstagswahlen
 
 

Bei den Wahlen zum Bayerischen Landtag gab es für Würzburg immer eine besondere Situation, die darin lag, daß bei einem guten Abschneiden der GRÜNEN in Unterfranken, die Direktkandidatur in der Stadt Würzburg besonders wichtig sein konnte. Dies hängt mit dem besonderen Wahlrecht in Bayern zusammen, bei dem Erst- und Zweitstimmen zusammengezählt werden, und den Platz auf der Liste für Unterfranken bestimmen. Da die GRÜNEN in Würzburg deutlich bessere Resultate als in allen anderen Wahlkreisen des Bezirkes erzielten, war es immer möglich, daß der Kandidat aus Würzburg nach der Wahl auf Platz zwei kommt. Was bei einem Abschneiden von mehr als ungefähr 6 % bedeutete, er wäre als zweiter Unterfranke im Maximilianeum. Daher machte sich schon 1982 Ludger Beckmann berechtigte Hoffnungen, vielleicht in den Landtag einzuziehen, was aber durch ein bayernweites Abschneiden knapp unter der 5 % Sperrklausel verhindert wurde. In Würzburg hatten DIE GRÜNEN 5,5 % erreicht, Beckmann sogar 6 %.

Erst 1986 konnten Abgeordnete der GRÜNEN mit 7,5 % in den bayerischen Landtag einziehen. Im Zuge des Wahlkampfes fand eine Veranstaltung mit dem hessischen Umweltminister Joschka Fischer in Würzburg statt, zu der über 1.000 Zuhörer kamen. Das Ergebnis in Würzburg war mit 9,6 % der Zweitstimmen und 9,5 % für den Direktkandidaten Matthias Pilz gut, aber in Unterfranken insgesamt schnitten DIE GRÜNEN deutlich schlechter ab, so daß nur Christine Scheel vom Kreisverband Aschaffenburg, die den ersten Platz auf der Liste bekommen hatte, für die unterfränkischen GRÜNEN in den Landtag gewählt wurde.

Für Unterfranken verlief die Wahl zum Bayerischen Landtag im Jahr 1990 ähnlich wie 1986. Landesweit entfielen auf DIE GRÜNEN 6,4 % der Stimmen, in Würzburg waren es 8,6 %, Christine Scheel war wiedergewählt.

Das erstaunliche an den Landtagswahlen von 1990 war, daß nur 6 Wochen vor der Bundestagswahl, in einem Bundesland, daß nicht als Hochburg der GRÜNEN betrachtet werden konnte, noch ein relativ ungefährdeter Wiedereinzug in das Landesparlament gelang, wenn auch mit einem Verlust von 1,1 %. Und demgegenüber die Bundespartei in Bayern auf 4,3 % abglitt. Dafür gibt es im Prinzip nur zwei Erklärungsmöglichkeiten. Entweder hatte die Partei auf Bundesebene in den letzten Jahren ein deutlich schlechteres Erscheinungsbild an den Tag gelegt als auf Länderebene, vielleicht aber lag die Partei auch mit ihren bundespolitischen Themen sehr weit weg von dem, was die Wähler beschäftigte. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem.

Der Effekt, daß einer Direktkandidatur in der Stadt Würzburg eine besondere Bedeutung zukam, trat bei den Landtagswahlen von 1994 ein. Volker Hartenstein aus dem Kreisverband Würzburg-Land, bewarb sich erfolgreich um diese Kandidatur. Auf der unterfränkischen Liste von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erreichte er hingegen nur den Platz 4. Durch das hohe Stimmen-aufkommen in Würzburg von 9,6 %, verbunden mit zahlreichen Zweit-stimmen aus dem Landkreis Würzburg, in dem er durch seine langjährige Arbeit im Kreistag einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte, gelang es ihm mit deutlichen Abstand die zweitmeisten Stimmen in Unterfranken auf sich zu vereinigen. Da Unterfranken bei dieser Wahl der einzige bayerische Bezirk war, in dem, verglichen mit der Wahl von 1990, GRÜNE deutlich zulegen konnten, waren mit Petra Münzel, aus dem Kreis Miltenberg und Volker Hartenstein zwei Personen in den Landtag gekommen.

Im Bezirkstag von Unterfranken waren die GRÜNEN bereits seit 1982 vertreten. Bis 1986 durch Christoph Trautner aus dem Würzburger Kreisverband, später Würzburg-Land. Von 1986 bis 1992 von Ingrid Koch-Stuchels, die dann aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten mußte. Für sie rückte Christine Burger aus dem Kreisverband Würzburg-Stadt nach, die bei den Bezirkstagswahlen 1994 wiedergewählt wurde. Mit Bärbel Imhof, aus dem Kreis Main-Spessart, hatten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1994 erstmals zwei VertreterInnen im Bezirkstag.
 
 

6.4 Kommunalwahlen in Würzburg
 
 

Mit dem Abschneiden bei den Kommunalwahlen in Würzburg waren die GRÜNEN lange Zeit unzufrieden. Sie hatten sich schon 1984 mehr als 2 Mandate, eigentlich zumindest Fraktionsstärke, erwartet. Trotz der Querelen um Ludger Beckmann rechnete man 1990 mit 4 Sitzen, erreichte aber nur 3, von denen dann noch einer im Laufe der Amtszeit an die SPD verloren ging. 1990 kam für die GRÜNEN erschwerend hinzu, daß sich zu dieser Wahl eine Studentische Liste gebildet hatte, der es auch gelang eine VertreterIn in den Stadtrat zu bringen. Inwieweit diese tatsächlich konkurrierend zu den GRÜNEN war, ist schwer zu belegen, aber die Annahme liegt zumindest nahe. Die Enttäuschung über das kommunale Abschneiden änderte sich erst mit dem Erfolg, welcher bei der Wahl 1996 mit 11 % und sechs Ratssitzen erzielt werden konnte. Was noch bemerkenswerter wird, wenn man bedenkt, daß die ÖDP, als ökologische Konkurrenzpartei ebenfalls knapp 4 % und damit 2 Sitze erhielt. Dies wird nur unter dem Blickwinkel verständlich, daß spätestens mit dem Antreten der Würzburger Liste 1990, zu der auch der 1990 gewählte Oberbürgermeister Weber gehört, das klassische bundesdeutsche Parteiengefüge bei Kommunalwahlen in Würzburg nicht mehr stimmte. In Würzburg gab es bei den überregionalen Wahlen der 80er und 90er Jahre keine sonderlichen Überraschungen, bei Stadtratswahlen hingegen einige. Die CSU sackte von einer Mehrheit der Sitze 1984 auf 31,1 % im Jahr 1996 ab. Noch dramatischer war die Entwicklung für die SPD die bei den Stadtratswahlen 1990 und 1996, jeweils über 7 % verlor und 1996 auf einen Tiefststand von 19,6 % fiel.
 
 

6.4.1 GRÜNE Listen - allein oder mit anderen?
 
 

Zu Beginn der langfristigen Vorbereitungen für die erste Teilnahme an Kommunalwahlen in Würzburg 1984 standen Überlegungen, in Form einer Alternativen Liste anzutreten. Damit orientierte man sich an anderen Großstädten, in denen versucht wurde, das ganze Spektrum von Initiativen, Verbänden und kleinen Parteien bis hin zur DKP zu einer Liste zu bündeln. Am bekanntesten wurden solche Listen, in Hamburg und Berlin, dort bewahrten sie sich auch lange eine Unabhängigkeit zur Bundespartei DIE GRÜNEN. Die Probleme, die durch dominierende Personen aus den K-Gruppen entstehen konnten, waren den Beteiligten in Würzburg bewußt, daher entschloß man sich, nur Einzelpersonen, die nicht als Vertreter einer Gruppe auftraten, bei der Mitarbeit zuzulassen. Solche Aktivitäten wurden bereits 1981, mit Blick auf die Kommunalwahlen 1984, in Angriff genommen Hinter diesen Bemühungen standen noch die integrativen Ansprüche aus der Gründungsphase der GRÜNEN, und die Vorbilder der ersten Beteiligungen an Wahlen in Form von Wahlplattformen. Ursprünglich war auch für die Landtagswahl 1982 eine solche Wahlplattform geplant, die dann zugunsten "Grüner offener Listen" aufgegeben wurde. Auf einer Mitgliederversammlung im Sommer 1982 fanden die Pläne zu einer Alternativen Liste seitens der GRÜNEN ihr Ende. In einer Abstimmung wurde eine eindeutige Präferenz zugunsten einer "Grünen offenen Liste" festgestellt. In der Folgezeit wurde die "Offenheit" einer Grünen Liste konkretisiert. Sie sollte offen für grünennahe Personen sein, nicht aber für Mitglieder anderer Parteien. Nach den problematischen Erfahrungen, die man mit dem Stadtrat Ludger Beckmann und erst recht mit Werner Karl in der Amtsperiode von 1984 bis 1990 gemacht hatte, entschloß sich die Partei 1989 dafür, daß nur Mitglieder auf der Liste der GRÜNEN kandidieren sollten. Bei den Vorbereitungen zur Kommunalwahl 1996 hingegen wurde wieder mehr Wert auf die Offenheit der Partei gelegt, und öffentlich verkündet, daß die Liste für alle den GRÜNEN nahestehenden Personen zugänglich wäre. Dies geschah unter anderem deswegen, weil klar war, daß es schwierig werden würde, die Liste paritätisch mit Frauen aus der Partei zu besetzten.
 
 

6.4.2 Lokale programmatische Vorstellungen
 
 

Im ersten Kommunalwahlprogramm der Grünen in Würzburg überwogen ökologische Themen, die natürlich auf die lokale Ebene transferiert und anhand lokaler Beispiele veranschaulicht werden konnten. Schlagworte in diesem Zusammenhang waren: Dezentrale Energieversorgung mit Kraft-Wärme Koppelung, Nutzung der Sonnenenergie, Energie- und Wassersparen, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Müllvorsortierung, um nur einiges zu nennen. Konkret für Würzburg standen unter anderem eine Entschwefelungsanlage für das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke, die Forderung nach einer Baumschutzverordnung und der Verzicht auf Salzstreuung durch den Winterdienst im Programm. Daneben waren gesellschaftliche Themen, wie die Gleichstellung von Mann und Frau, der Umgang mit Homosexuellen und mehr Unterstützung für die freien Kulturträger, von hohem Belang.

Das Kommunalwahlprogramm war entsprechend der intensiven thematischen Arbeit während der wahlkampflosen Jahre 1987 bis 1990 ein fundiert erarbeitetes Werk, das versuchte, zu fast allen Fragen der Politik Antworten der GRÜNEN zu geben.Gleichzeitig wurden in diesem Programm noch Verbindungslinien von der Bundespolitik auf die lokale Ebene gezogen. Ein Beispiel hierfür lag im Bereich der Friedenssicherung.

Neben den ökologischen Grundthemen wurde eine Vielzahl konkreter Handlungsforderungen aufgestellt. Im Bereich der Finanzpolitik wurde eine Erhöhung der Basis der Gewerbesteuer und ein höherer Hebesatz gefordert, um der zukünftigen Belastung der kommunalen Haushalte zu begegnen.

Der Raum, der die allgemeinen Fragen der Politik auf allen Ebenen betraf, verringerte sich im Würzburger Programm von 1996 beträchtlich. Neben zahlreichen Handlungsoptionen, ähnlich derer von 1990, gelang es der Partei, mit der Forderung einer Straßenbahntrasse entlang des Rennweges, und damit direkt an der Residenz vorbei, ein öffentliches Interesse zu erregen, das schon fast an professionelle Werbestrategien erinnerte. Dies war zwar wahrscheinlich gar nicht beabsichtigt, denn die Idee war aus verkehrspolitischer Sicht wirklich ernst gemeint. Aber es hatte bezüglich der Medienpräsenz für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen positiven Effekt.

Die Programmerstellung nahm jeweils fast ein Jahr lang die personellen Kräfte in Beschlag. Erst wenn diese Aufgabe zumindest weitestgehend bewältigt war, wurde die Aufstellung der Liste für die Stadtratswahlen durchgeführt.
 
 

6.4.3 Die Frage einer Oberbürgermeisterkandidatur der GRÜNEN
 
 

Bei der Teilnahme an Kommunalwahlen stellte sich auch zwangsläufig immer die Frage, ob man zu diesen mit eigenen Kandidaten für das, in Bayern direkt gewählte Bürgermeisteramt antreten könne oder solle. Für die Kommunalwahlen des Jahres 1984 ist in dieser Hinsicht kaum etwas überliefert. Aber tendenziell war man mit der Situation eines SPD-Oberbürgermeisters Zeitler bei einer Stadtratsmehrheit der CSU aus taktischen Erwägungen eher zufrieden. Barg eine eigene Kandidatur doch die Gefahr in sich, CSU-Kandidaten indirekte Wahlhilfe zu leisten. Relevanter wurde dieses Problem bei den Wahlen des Jahre 1990, als zudem niemand mit einem Amtsbonus zur Wahl stand, nachdem Zeitler auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte. In dieser Situation stellte der Vorstand in Zusammenarbeit mit der Stadträtin Benkert einen bemerkenswerten Antrag an eine Mitgliederversammlung, der auch eine Mehrheit fand. In ihm wurde festgehalten, daß die GRÜNEN in der Lage wären, eine eigene Kandidatin zu stellen und sie Bärbel Benkert heißen würde. Des weiteren hieß es darin sinngemäß: "Man wolle einen SPD-Kandidaten nicht gegenüber der CSU Kandidatin, Stamm, schwächen." Anschließend folgte eine Aufzählung der aus Sicht der GRÜNEN politisch problematischen Eigenschaften von Barbara Stamm. Dieser Antrag entspricht zwar der Farbenlehre der GRÜNEN, fraglich ist nur warum er so formell gestellt wurde. Als Motivation kommt eigentlich nur in Betracht, daß man sich durch ihn, bei eventuellen Verhandlungen mit der SPD, eine Stärkung der eigenen Position erhoffte.

Die Situation im Vorfeld der Kommunalwahlen 1996 war eine völlig andere. Es gab den Amtsinhaber Weber von der Würzburger Liste, außerdem noch Kandidaten von CSU, SPD, den populären ehemaligen CSU-Stadtrat Felgenhauer und Kandidaten kleinerer Parteien. In dieser Situation war nach kurzer Diskussion in der Partei klar, daß man nicht nur wegen einer besseren Wahlkampfführung eine eigene Kandidatur anstreben sollte. Aus den vorangegangenen Wahlkämpfen hatten die GRÜNEN gelernt, daß sich das öffentliche Interesse auf die Wahl des Oberbürgermeisters konzentrierte. Daher ergab sich durch eine eigene Kandidatur zudem die Möglichkeit, die inhaltlichen Konzepte von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN effektiver vorzustellen. Die Kandidatur fiel daraufhin an Matthias Pilz, der bei der Wahl 4,4 % der Stimmen erhielt.
 
 

6.5 WählerInnen der GRÜNEN
 
 

Für das Verständnis der Entwicklung der GRÜNEN ist es förderlich, sich Untersuchungen und Tendenzen in der Wählerschaft der Partei zu widmen. In der Literatur wurde versucht, die GRÜNEN hinsichtlich ihrer Wählerschaft zum einen als Generationspartei und zum anderen als Milieupartei zu beschreiben. Für beide Thesen, die sich nicht widersprechen, gibt es Anhaltspunkte, wenn auch bedacht werden sollte, daß es sich bei den GRÜNEN um eine sehr junge Partei handelt, der es vielleicht noch möglich ist, sich neue Wählerschichten zu erschließen.

Der Begriff der Generationspartei wurde abgeleitet aus der Altersstruktur der Wähler der GRÜNEN. Auffällig dabei war, daß die Partei 1990 bei den WählerInnen im Alter bis 24 Jahren mit einem Anteil von 23,5 % der Gesamtwählerschaft der Partei zwar noch überproportional gut abschnitt, aber die meisten Wähler, mit 39,3 %, im Alterssegment zwischen 25 und 34 lagen. Auch die WählerInnen zwischen 35 bis 44 Jahren sind mit 21,6 % der Wählerschaft für die GRÜNEN recht beachtlich vertreten. Ein Alterungsprozeß bei den WählerInnen der GRÜNEN ist ohne Zweifel feststellbar. Ob dieser jedoch Chance oder Risiko für das zukünftige Abschneiden der Partei ist, kann wohl noch nicht festgestellt werden.

Die These von der Milieupartei hatte ihren Ursprung in Untersuchungen über die ähnlichen politischen Sozialisationshistorien der Anhänger der GRÜNEN, die für die Frühphase der Partei in den "neuen sozialen Bewegungen" der 70er Jahre gesehen wurden. Durch diese Bewegungen wären neue soziokulturelle, sozial-moralische und politisch-ideologische Milieus aus Teilen der gehobenen Mittelschicht entstanden. Hans-Joachim Veen beschrieb dies überspitzt wie folgt: "Säkularisierte, emanzipatorische und oft auch egozentrische Orientierungen bestimmten häufig die Wertehorizonte von Grünen-Anhängern."

Wie die WählerInnen der GRÜNEN einzuschätzen sind, wird wohl am ehesten an einigen untersuchten Tendenzen deutlich, die, mit aller Vorsicht gegenüber der Meinungsforschung, aussagekräftig bleiben.

1. Die Wählerschaft ist im Vergleich zu den anderen im Bundestag vertretenen Parteien die jüngste, im Alter über 60, schnitten die Grünen bisher schlecht ab.

2. Das Bildungsniveau der Wähler der Grünen ist mit Abstand das höchste aller Parteien.

3. War es anfänglich umgekehrt, werden die GRÜNEN seit 1983 zunehmend häufiger von Frauen als von Männern gewählt.

4. Vor allem katholische Religiosität verträgt sich schlecht mit GRÜNER Anhängerschaft. Religionslose sind überproportional vertreten.

5. Wähler der GRÜNEN sind überdurchschnittlich häufig in der Beamtenschaft und bei den in Ausbildung befindlichen Personen (auch Studierende) zu finden. ArbeiterInnen sind unterrepräsentiert. Der Anteil Selbständiger stieg im Verlaufe der Entwicklung der Partei stark an.
 
 
 
 

7. Schwerpunkte der Arbeit der GRÜNEN im Stadtrat
 
 

Auf die zahlreichen Aktivitäten der jeweiligen StadträtInnen der GRÜNEN hier dezidiert einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Zwar wurde die Kommunalpolitik zum: "zentralen Handlungsfeld der aktiven Mitglieder der GRÜNEN", barg aber auch stets die Gefahr in sich, durch die spezielle Beschäftigung mit sehr fachlich orientierten Fragen den gesellschaftlichen Innovationsanspruch der GRÜNEN aus dem Auge zu verlieren. Zudem gab es einen fortschreitenden Trend zur Loslösung der kommunalpolitischen Ebene von der Landes- und Bundespartei. parteiinterner Austausch kommunalpolitischer Erfahrungen und Ideen fand selten zentral vermittelt, sondern, wenn überhaupt, zwischen kommunalen VertreterInnen vergleichbarer Kommunen statt. Zeitweise wurden die KommunalpoitikerInnen, die "Kommunalos", als eigene Strömung der Partei betrachtet. Dabei sollte die organisatorische Bedeutung der Kommunalpolitiker für die Partei nicht unterschätzt werden. Ferner stellten die GRÜNEN in den Räten ein spürbares Innovationspotential für die Kommunen dar. Zum Politikstil der Grünen im Stadtrat gehörte es, zu versuchen, Initiativen und Verbände bei anstehenden Fragen in den Meinungsbildungsprozeß mit einzubeziehen, soweit dies erwünscht war. Hier sind vor allem der Bund Naturschutz, der Allgemeine Deutsche Fahrradfahrer Club, der Asylkoordinierungskreis, Dritte-Welt-Gruppen und viele andere mehr. Nur sporadisch – bei größeren Aktionen – war der Kontakt mit den Gewerkschaften.
 
 
 
 

7.1 Zentrale Handlungsfelder der GRÜNEN im Würzburger Stadtrat
 
 

In ökologischer Hinsicht war neben vielen Themen des Naturschutzes, beispielsweise die Erstellung einer Baumschutzverordnung, Schutz von Biotopen oder die Verhinderung weiterer Versiegelung von Flächen, drei große Themen in Würzburg bestimmend für die Stadtratsarbeit: das Thema der Energiegewinnung und ihrer Folgen, der Umgang mit dem Müll und die Probleme, die durch den Individualverkehr entstehen.

Im Bereich der Energiepolitik war die Entschwefelung des Heizkraftwerkes an der Friedensbrücke gleich zu Beginn der Stadtratstätigkeit der GRÜNEN das beherrschende Thema. Dabei plädierten die GRÜNEN für einen raschen Einbau der bestmöglichen Entschwefelungsanlage, wenn diese auch teurer sei. Unterschiedliche Vorstellungen zum Betrieb während des Einbaues, waren ein Konfliktpunkt zwischen den StadträtInnen der GRÜNEN. Sie versuchten, einen Zusammenhang zwischen dem Waldsterben um Würzburg und den Emissionen des Kraftwerkes herzustellen. Daneben wurde eine Änderung im Energiekonzept der Stadtwerke angemahnt. Man wollte hin zu erneuerbaren Energieträgern und zur dezentralen Stromerzeugung.

Im Bereich der Abfallpolitik lag der Schwerpunkt der Aktivitäten ursprünglich in der Müllsortierung und dem Recycling. Dabei spielte die getrennte Sammlung von Metall Müll eine besondere Rolle, schließlich war der Verein der Altmetall Müllabfuhr, der Bundesweit zu den Pilotprojekten in diesem Bereich zählte, bis Ende 1985 eng mit der Partei verknüpft. Dazu kam etwas später die Problematik der Müllverbrennung und ihre Folgen bezüglich der Emissionen und der Abfallstoffe. In den 80er Jahren lag dabei das Hauptaugenmerk auf den Belastungen durch das Rauchgas; man fand es nicht zu verantworten, in unmittelbarer Nachbarschaft einen Milch verarbeitenden Betrieb anzusiedeln. Der Versuch, den Bau eines dritten, noch größeren Ofens im Würzburger Müllheizkraftwerk zu verhindern beziehungsweise seine Überflüssigkeit nachzuweisen, dauerte über ein Jahrzehnt. Diese Bemühungen waren nicht erfolgreich. Daneben stand das Problem der Schlackewiederaufbereitung und deren Verwertung als Baustoff im Mittelpunkt der Kritik.

Die eingeschlagene Richtung in der Verkehrspolitik wurde bis auf wenige Nebenaspekte stringent verfolgt. Eine Zurückdrängung des Autoverkehrs, vor allem aus dem Innenstadtbereich, unter anderem durch höhere Parkgebühren und den Abbau von Parkplatzzahlen, verbunden mit einer konsequenten Überwachung des ruhenden Verkehrs, wurde auch zunehmend seitens der Verwaltung als der richtige Weg gesehen, steigendem Verkehrsaufkommen zu begegnen. Der Ausbau und die Verbesserung des Angebots im öffentlichen Nahverkehr stellte ein weiteres verkehrspolitisches Ziel dar. Der Ausbau des Radverkehrs als umweltgerechter Alternative zum Auto war ein weiteres Ziel. Dabei konnten sogar einige kleine, aber konkrete Erfolge verbucht werden. So zum Beispiel die Öffnung der Alten Mainbrücke für den Fahrradverkehr.

Daneben wuchs in den Jahren seitdem die GRÜNEN im Stadtrat vertreten waren, auch durch ihre zahlreichen Anfragen, vor allem seitens der Verwaltung das Bewußtsein, bei entsprechenden Vorlagen die Aspekte der Umweltverträglichkeit besser zu berücksichtigen.

In der Haushaltspolitik hielten sich die GRÜNEN in den ersten Jahren mit eigenen Anträgen zurück. Sie lehnten die Haushalte regelmäßig mit dem Argument, in ihnen würden unsinnige Großprojekte weiter- oder vorfinanziert, ab. Daneben setzten sich DIE GRÜNEN für eine strikte Sparpolitik ein, um sich für die Zukunft in finanzieller Hinsicht Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen. Dem Haushalt für das Jahr 1990 stimmte die Stadträtin in Absprache mit der Partei zum erstenmal zu. Dies geschah, weil im Laufe der Beratungen auch Anträge der GRÜNEN berücksichtigt wurden. In den folgenden Jahren war die Ablehnung oder Zustimmung zum Haushalt parteiintern häufig eine Frage der Abwägung zwischen einem Angebot der konstruktiven Mitarbeit und des symbolischen Protestes gegen Fehlentwicklungen – aus Sicht der GRÜNEN.

Viele Aktivitäten seitens der Stadträte gab es zudem in Fragen der Frauenförderung. In den Bereichen der Wohnungspolitik wurde hauptsächlich Mitte der 80er Jahre gearbeitet, als die Wohnungssituation besonders für Studierende deutlich schlechter war als in den 90er Jahren. Ein weiteres Dauerthema war die menschengerechte Unterbringung von Asylbewerbern in städtischen Wohnheimen. Engagiert setzten sich die GRÜNEN, zusammen mit Ausländerinitiativen für die Einrichtung eines Ausländerbeirates ein.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß DIE GRÜNEN nach anfänglichen Schwierigkeiten im Stadtrat ernst genommen wurden, ihre politischen Ziele jedoch, wenn überhaupt, nur zu einem kleinen Teil und über Umwege einbringen oder gar umsetzen konnten.
 
 
 
 

7.1.1 Das Verhältnis zu den "Freien Kulturträgern"
 
 

Ein eigener, wichtiger Aspekt GRÜNER Kommunalpolitik war der Kontakt zu, und das Eintreten für die "Freien Kulturträger." In keinem Programm und bei keiner Haushaltsdebatte durfte dieser Aspekt fehlen. Für die GRÜNEN waren die Aktivitäten der unabhängigen Kulturszene Ausdruck von Urbanität und Vielfalt. Der Kontakt zwischen Partei und den Kulturmachern war häufig nicht der beste, aber das änderte nichts daran, daß sich die StadträtInnen der GRÜNEN gegen Mittelkürzungen in diesem Bereich stets vehement wehrten. Auf eine Belastungsprobe wurde dieses Verhältnis gestellt, als es um die Neubesetzung des Kulturreferates im Herbst 1992 ging. Die "Freien Kulturträger" hatten im Vorfeld dieser Wahl klar zu erkennen gegeben, daß für sie der bisherige Kulturamtsleiter, Gabriel Engert, der Kandidat ihrer Wünsche wäre. Sie hatten mit ihm gut zusammengearbeitet und seine erfolgreichen Bemühungen im Bereich der finanziellen Unabhängigkeit (von Mitteln der Stadt) für alternative Kulturprojekte, waren allen Interessierten offenkundig. Ursprünglich präferierten die GRÜNEN, für diese Stelle jedoch eine auswärtige Fachkundige Frau. Im Zuge des Auswahlverfahrens stand die Partei schließlich aber vor der Entscheidung zwischen Engert, der von der CSU unterstützt wurde und der SPD-Kandidatin Strobel, die keine ausgewiesene Kennerin der "Freien Kulturszene" war. In dieser Situation waren DIE GRÜNEN noch etwas unentschlossen. Kurz vor der Wahl wurde ihnen jedoch bekannt, daß Engert ein Schüler des umstrittenen Soziologieprofessors Bossle war, außerdem wissenschaftliche Hilfskraft bei ihm, und, was am schwersten wog, Redakteur des "Studenten" gewesen sein sollte. Eilig aufgenommene Recherchen seitens der GRÜNEN bestätigten seine Mitarbeit an diesem national–konservativen Studentenblatt bis 1983. Seine Artikel waren zwar harmlos, zumeist schrieb er anhand von Beispielen über die Größe der abendländischen Kultur. Dennoch war er über Jahre ein ständiger Mitarbeiter an diesem Blatt. Zudem hatte er in einem Gespräch mit StadträtInnen die Karten in dieser Hinsicht, trotz Nachfrage, nicht offen auf den Tisch gelegt. Daraufhin entschieden sich DIE GRÜNEN für Strobel. Die Zahl ihrer Stimmen wäre zwar nicht ausschlaggebend gewesen, aber verunsichert durch die Argumentation der GRÜNEN änderten noch andere Stadträte ihre Meinung. Als Reaktion darauf folgten heftige Vorwürfe an DIE GRÜNEN, bis hin zur Androhung eines Aufrufes diese Partei nicht mehr zu wählen, der in der Kulturszene verbreitet werden sollte. Auf ein Gesprächsangebot der GRÜNEN wurde erst gar nicht eingegangen. Es folgte ein kleines Kesseltreiben seitens der Presse, vor allem gegen die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, Benkert, die von der Partei Solidarität einforderte und sogar ihren Rücktritt als Stadträtin anbot. Ihr Angebot wurde zurückgewiesen und Unterstützung zugesagt. Bis sich die Wogen wieder glätteten dauerte es ungefähr ein halbes Jahr.
 
 
 
 

7.2.2 DIE GRÜNEN in Verhandlungen mit anderen Stadträten
 
 

Als DIE GRÜNEN 1984 die Fraktionsstärke bei der Wahl zum Stadtrat nicht erreichten, wurden ihrerseits Gespräche mit anderen Parteien und Wählergemeinschaften aufgenommen. Es handelte sich dabei um die SPD, die FWG und die FDP, kurzzeitig wurde sogar eine Fraktionsgemeinschaft mit der FDP erwogen, sehr schnell aber wegen fehlender Inhaltlicher Gemeinsamkeiten wieder verworfen. Formen anderer Zusammenarbeit, wie Ausschuß oder Zählgemeinschaft wurden für möglich gehalten, aber nicht in die Praxis umgesetzt. Statt dessen hofften DIE GRÜNEN Anfang 1985 darauf, daß SPD-Stadtrat Truchseß seine Partei verläßt. Worauf die SPD sich Spekulationen über Mitglieder ihrer Fraktion mit dem Hinweis, es sei ihrerseits ein Gnadenakt gewesen, den GRÜNEN Ausschußsitze zu überlassen, verbat.

Nach der Wahl 1990 waren Sondierungen hinsichtlich Fraktionsgemeinschaften und ähnlichem nicht nötig, da die GRÜNEN selbst Fraktionsstärke hatten. Dennoch wurde nicht ausgeschlossen, die VertreterIn der Studentischen Liste näher an die GRÜNEN zu binden. Was dann doch nicht relevant wurde, weil sie eine Fraktionsgemeinschaft mit den Stadträten der FWG einging. Die Situation änderte sich mit dem Austritt von Bärbel Benkert Anfang 1994, und dem damit verbundenen Verlust des Fraktionsstatusses. Nach kurzen Verhandlungen schloß man sich mit dem Fraktionslosen Willi Dürrnagel zu einer Ausschußgemeinschaft zusammen. Eine Fraktionsgemeinschaft kam wieder wegen zu großer inhaltlicher Unterschiede nicht in Frage. Auch ein Zusammengehen mit der FWG, um in den "kleinen Ausschüssen" für die 5 Sitze nötig waren, wurde nicht ausgeschlossen, kam jedoch wiederum nicht zustande.

Angesichts der Stärke der eigenen Fraktion wurden zu Beginn der Amtsperiode von 1996 nur Sondierungsgespräche zu inhaltlichen Fragen mit allen Fraktionen geführt.
 
 
 
 

8. Petra Kelly
 
 

Auch die Beerdigung von Petra Kelly soll hier eine Erwähnung finden. Schließlich hatte der Tod der bekanntesten GRÜNEN der Gründungsjahre, die besonders bei Integrationsprozeß unterschiedlichster Gruppen eine wichtige Rolle spielte, Auswirkungen auf den Würzburger Kreisverband der GRÜNEN. Nachdem in den Medien bekannt wurde, daß Petra Kelly am 19.10.1992 zusammen mit Gerd Bastian tot aufgefunden wurde, kam einige Tage später seitens des Bundesverbandes die Bitte an die Würzburger GRÜNEN, die Beerdigung auf dem Würzburger Waldfriedhof organisatorisch zu unterstützen. In Würzburg beerdigt zu werden, war der Wunsch von Petra Kelly gewesen, da ihre sehr jung an Krebs verstorbene Schwester Grace dort ihre letzte Ruhe fand. Petra Kellys Vater war in den sechziger Jahren als Soldat der amerikanischen Streitkräfte einige Jahre in Würzburg stationiert gewesen. In Abstimmung mit der Polizei halfen einige Würzburger Mitglieder eine befürchtete Störung der Pietät bei der Beisetzung zu verhindern, was jedoch kaum nötig war. Zu diesem traurigen Anlaß erschien fast die ganze bundespolitische Prominenz der GRÜNEN, um Petra Kelly die letzte Ehre zu erweisen, sowie zahlreiche Mitmenschen, die sich mit ihr verbunden fühlten.
 
 

Die Wahlergebnisse der GRÜNEN auf den jeweiligen Ebenen



 
 
Jahr
Bundestag
Europa-parlament
Landtag (Bayern)
Stadtrat (Würzburg)
1979
 
3,2%
   
1980
1,5%
     
1981
       
1982
   
4,6%
 
1983
5,6%
     
1984
 
8,2%
 
5%
1985
       
1986
   
7,5%
 
1987
8,3%
     
1988
       
1989
 
8,4%
   
1990
4,8%
   
6,9%
1990
6,%
 
6,4%
 
1991
       
1992
       
1993
       
1994
7,3%
10,1%
6,1%
 
1995
       
1996
     
11%

 

Die Werte wurden aus Veröffentlichungen des Statistischen Landesamtes Bayern, sowie dem Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden entnommen. Siehe: Folgendes Diagramm:

Die Wahlergebnisse der GRÜNEN im Wahlkreis Würzburg



 
 
Jahr
Bundestag
Europa-parlament
Landtag (Bayern)
Stadtrat (Würzburg)
1979
 
3,7%
   
1980
1,8%
     
1981
       
1982
   
5,7%
 
1983
6,2%
     
1984
 
8,0%
 
5,0%
1985
       
1986
   
9,5%
 
1987
10,5%
     
1988
       
1989
 
12,1%
   
1990
     
6,9%
1990
6,6%
 
8,6%
 
1991
       
1992
       
1993
       
1994
8,2%
15,0%
9,6%
 
1995
       
1996
     
11,0%

 

Die Werte wurden aus Veröffentlichungen des Statistischen Landesamtes Bayern, sowie dem Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden entnommen. Siehe folgendes Diagramm:


 
 

Besetzung der Vorstandsämter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kreisverband Würzburg/Stadt



 
 
Jahr
Vorstandssprecher
Kassierer
Pressesprecher
1979
Werner Kallenbach
1980
Gertrud Junglas
Ludger Beckmann
Christoph Trautner
Irmi Aumeier
1981
Alfons

Michel

Andrea

Müller

Christoph Trautner
Irmi Aumeier
Margrit Seifert
1982
Margrit Seifert
Walter Außenhofer?
Christoph Trautner ?
Stefan Rümmle
Ludger Beckmann?
1983
Peter

Hauck

Joachim Groß
Volker Hartenstein
Gesa Behrend?
Burkard Benkert?
1984
Peter

Hauck

Brigitte Kolb
Matthias Pilz
Gesa Behrend
Jörg Töppner
1985
Jörg Töppner
Maria Dellert-Fritsche
Matthias Pilz
Karl Heinz Klaiber
Gerd Scheuringer
1986
Jörg Töppner
Maria Dellert-Fritsche
Matthias Pilz
Karl Heinz Klaiber
Gerd Scheuringer
1987
Christine Burger
Christine Schmachten-berger
Matthias Pilz
Gerd Scheuringer
Karl Heinz Klaiber
Marcel Braumann
1988
Christine Burger
Christine Schmachten-berger
Matthias Pilz
Gerd Scheuringer
Karl Heinz Klaiber
Marcel Braumann
1989
Benita Stolz
Christel Weisner
Matthias Pilz
Gerd Scheuringer
Norbert Mahr
Marcel Braumann
1990
Marianne Albrecht
Clemens Matjak
Pia Brugger
Gerd Scheuringer
Edgar Thamm
Christine Burger
1991
Marianne Albrecht
Clemens Matjak
Bärbel Benkert
Bernhard Goldmann
Edgar Thamm
Christine Burger
1992
Marianne Albrecht
Clemens Matjak
Bärbel Benkert
Bernhard Goldmann
Edgar Thamm
Christine Burger
1993
Marianne Albrecht
Clemens Matjak
Offen
Bernhard Goldmann
Matthias Pilz
Michael Stolz
1994
Marianne Albrecht
Clemens Matjak
Silke Trost
Florian Wellner
Matthias Pilz
Michael Stolz
1995
Offen
Clemens Matjak
Silke Trost
Gunnar Bartsch
Matthias Pilz
Michael Stolz

 

DirektkandidatInnen zu den Wahlen zu Bundestag, Landtag und

Bezirkstag im Wahlkreis Würzburg-Stadt
 
 
 
 
Jahr
Bundestag
Landtag
Bezirkstag
1980
Walter Außenhofer
   
1982
 
Peter Hauck
Stefan Rümmle
1983
Ludger Beckmann
   
1986
 
Matthias Pilz
Margrit Seifert
1987
     
1990
Volker Hartenstein
Edgar Thamm
Christine Burger
1994
Clemens Matjak
Volker Hartenstein
Christine Burger

 
 
 

Entwicklung der Mitgliederzahlen der GRÜNEN

Würzburg und Bayern im Vergleich
 
 
 
Jahr
Würzburg
Bayern
1980
46
 
1981
62
 
1982
57
 
1983
76
4300
1984
86
5500
1985
98
5116
1986
78
5500
1987
89
6558
1988
100
6531
1989
89
6000
1990
82
 
1991
76
 
1992
55
5037
1993
65
5291
1994
78
5555
1995
83
6090
1996
99
6465

 

Quellenverzeichnis:
 
 

Bundesamt für Statistik: Veröffentlichungen zu Wahlergebnissen, Wiesbaden.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Protokolle der Mitgliederversammlungen von, 1993 bis Mai 1996.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Protokolle der Vorstandssitzungen von 1993, bis Mai 1996.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Protokolle der Sitzungen des Koordinierungsausschußes, von 1993 bis Mai 1996.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Kommunalwahl-programm 1996.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nur mit uns - Programm zur Bundestagswahl 1994, Bonn 1994.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: "Schrägstrich" - Mitgliederzeitung des Bundes-verbandes, Ausgabe 1/1998, Bonn.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Landesverband Bayern: Statistik zur Mitglieder-entwicklung 1990 bis 1997.
 
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Diverse Unterlagen der Partei.
 
 

DIE GRÜNEN: Satzung des Bundesverbandes, in verschiedenen Fassungen.
 
 

DIE GRÜNEN: Programme zu den Bundestagswahl 1983,1987,1990, alle: Bonn. Sowie: Grundsatzprogramm, Bonn 1984.
 
 

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Diverse Unterlagen aus dem Parteiarchiv.
 
 

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Kommunalwahlprogramme 1984, 1990, 1996.
 
 

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Protokolle der Sitzungen des Delegiertenrates, von 1984 bis 1989.
 
 

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Protokolle der Mitglieder-versammlungen von 1980 bis 1993.
 
 

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Rechenschaftsberichte von Vorstand und Fraktion von 1986 bis 1994.
 
 

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Protokolle der Sitzungen des Koordinierungausschußes von 1990 bis 1993.
 
 

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Protokolle der Vorstands -sitzungen von 1993 bis Mai 1996.

DIE GRÜNEN, Kreisverband Würzburg-Stadt: Satzung des Kreisverbandes in verschiedenen Fassungen.
 
 

Landesamt für Statistik-Bayern: Veröffentlichungen der Wahlergebnisse
 
 

"Mainpost," Würzburger neueste Nachrichten, der Jahrgänge 1978 bis 1996.
 
 

"Nürnberger Nachrichten" Jahrgang 1980.
 
 

"Volksblatt," der Jahrgänge 1978 bis 1996.
 
 

"Süddeutsche Zeitung" Jahrgang 1980 und 1987
 
 

Literaturverzeichnis:
 
 

Allzeit, Bernhard: Innerparteiliche Demokratie der Grünen Partei, Hamburg, Dipl. 1985.
 
 

Bernbacher, Christine: Die Geschichte der Bremer Grünen von der Parteigründung bis zur Regierungsbeteiligung, in: Jansen, Hans G. Neue soziale Bewegungen in einer alten Stadt, Bremen 1992.
 
 

Betz, Hans-Georg: Postmodern Politics in Germany, New York 1991.
 
 

Bollafi, Angelo; Kallscheuer, Otto: Die Grünen - Farbenlehre eines politischen Paradoxes, in: Prokla 51, 1983.
 
 

Breuer, Norbert: Politischer Protest in Ahaus - Entstehung und Erflog einer unabhängigen Wählergruppe, in: Uppendahl, Herbert Alternativen lokaler Demokratie, Königstein 1981.
 
 

Bühnemann, Michael: Die Alternative Liste Berlin - Entstehung, Entwicklung, Positionen, Berlin 1984.
 
 

Bullmann, Udo; Gitschmann, Peter: Kommunale Gegenmacht - Alternative Politik in Städten und Gemeinden, Hamburg 1985.
 
 

Burger, Alex: Landtagswahl 94 in Bayern - Analyse des Ergebnisses von Bündnis 90/Die Grünen, Hrsg. Landesverband Bayen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, München 1994.
 
 

Carini, Marco: Das Problem der "Bewegungspartei", Hamburg, Dipl. 1989.
 
 

Cornelsen, Dirk: Ankläger im Hohen Haus - Die Grünen im Bundestag, Fulda 1986.
 
 

Demirovic, Alex: Demokratie, Ökologie, ökologische Demokratie - Demokratievorstellungen der neuen sozialen Bewegungen und der Partei DIE GRÜNEN, Frankfurt a.M 1988.
 
 

Dittfurt, Jutta: Träumen, Kämpfen, Verwirklichen. Politische Texte bis 1987, Köln 1988.
 
 

Doherty, Brain: The Fundi - Realo - Controversy - An Analysis of Four European Green Parties, in: Enviromentals Politics, Vol. 1, 1992.
 
 

Ebbighausen, Rolf: Die Kosten der Parteiendemokratie, Opladen 1996.
 
 

Falkenberg, Gabriel; Kersting, Heinz: Eingriffe im Diesseits - Beiträge zu einer radikalen grünen Realpolitik, Essen 1985.
 
 

Fischer, Joschka: Der Umbau der Industriegesellschaft, Frankfurt a.M 1989.
 
 

Fischer, Joschka. Die Linke nach dem Sozialismus, Hamburg 1992.
 
 

Flor, Helmut: Verfassungsrechtliche Aspekte des Demokratie- und Mandatsverständnisses der Grünen, Kiel, Diss. 1986.
 
 

Fogt, Helmut. Die Grünen in den Bundesländern - Das Erscheinungsbild der Partei und ihrer Wählerschaft 1979-1989, in: Schmitt, Karl (Hrsg.), Parteien und regionale Traditionen in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, 1991.
 
 

Franck, Norbert: Chronik der GRÜNEN, in: "Schrägstrich," Mitgliederzeitung des Bundesverbandes, der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE, Ausgbe 1/1998, Bonn.
 
 

Frankland, E. Gene; Schoonmaker, Donald: Between Protest and Power - The Green Party in Germany, Boulder 1992.
 
 

Gassmann, Lothar: Die Grünen - eine Alternative?, Stuttgart 1986.
 
 

Greven, Michael: Parteimitglieder, Opladen 1987.
 
 

Gruhl, Herbert: Ein Planet wird geplündert - Die Schreckensbilanz unserer Politik , Frankfurt a.M 1975.
 
 

Hallensleben, Anna Elisabeth: Von der grünen Liste zur grünen Partei - Die Entwicklung der Grünen Liste Umweltschutz von ihrem Entstehung 1977 in Niedersachsen bis zur Gründug der Partei Die Grünen, Göttinger Politikwissenschaftliche Forschungen Bd. 4, Göttingen, Diss. 1984.
 
 

Heidger, Ralf. DIEGRÜNEN. Basisdemokratie und Parteiorganisation, Berlin 1987.
 
 

Hirscher, Gerhard, Hrsg.: Parteiendemokratie zwischen Kontinuität und Wandel - Die deutschen Parteien nach den Wahlen 1994, Hans-eidel-Stiftung 1995.
 
 

Hoffmann, Jürgen: Bündnis 90 / Die Grünen - Ein schwieriges Bündnis in der Bewährungsprobe, Sankt Augustin 1994.
 
 

Hüllen, Rodolf van: Ideologie und Machtkampf bei den Grünen, Bonn 1990.
 
 

Hülsberg, Werner. The Germans Green - A Social and Political Profile, London/New York 1988.
 
 

Johnsen, Björn: Von der Fundamentalopposition zur Regierungsbeteiligung - Die Entwicklung der GRÜNEN in Hessen 1982 - 1985, Marburg 1988.
 
 

Kleinert, Hubert: Aufstieg und Fall der GRÜNEN - Analyse einer alternativen Partei, Bonn 1992.
 
 

Kleinert, Hubert: Die GRÜNEN 1990/91 vom Wahldebakel zum Neuanfang, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 44, 1991.
 
 

Kleinert, Hubert: Vom Protest zur Regierungspartei - Die Geschichte der GRÜNEN, Frankfurt 1992.
 
 

Langner, Manfred: DIE GRÜNEN auf dem Prüfstand, Bergisch Gladbach 1987.
 
 

Leif, Thomas: Die politische Klasse in Deutschland - Eliten auf dem Prüfstand.
 
 

Mettke, Jörg R. Hrsg.: DIE GRÜNEN - Regierungspartner von morgen ?, Hamburg 1982.
 
 

Niedermayer, Oskar; Stöss, Richard, Hrsg.: Stand und Perspektiven der Pareienfüorschung in Deutschland, Opladen 1993.
 
 

Raschke, Joachim: Die Grünen - Wie sie wurden, was sie sind, Köln 1993.
 
 

Rüttgers, Jürgen: Die Dinosaurier - Wege aus Parteienkrise und Politikverdrossenheit, Hamburg 1993.
 
 

Scheuringer, Gehard, Schmachtenberger, Christine: Konzepte und Analysen zur Würzburger Stadtentwicklung, Band 1: Tourismus in Würzburg, Hrsg. DIE GRÜNEN Kreisverband Würzburg Stadt, Würzburg 1987.
 
 

Scheel, Christine: die GRÜNEN und das Geld, Fulda 1997.
 
 

Schmidt, Giselher: DIE GRÜNEN - Portrait einer alternativen Partei, Krefeld 1986.
 
 

Schroeren, Michael: Hrsg., Die GRÜNEN -10 bewegte Jahre, Wien 1990.
 
 

Stöss, Richard: Vom Nationalismuß zum Umweltschutz - Die Deutsche Gemeinschaft/Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Parteiensystem der Bundesrepublik, Diss., Opladen 1980.
 
 

Veen, Hans-Joachim: Die Grünen zu Beginn der neunziger Jahre - Profil und Defizite einer fast etablierten Partei, Bonn 1992.
 
 

Wewer, Göttrik: Parteienfinanzierung und politischer Wettbewerb, Opladen 1990.
 
 

Zander, Helmut: Die Christen und die Friedensbewegungen in beiden deutschen Staaten, Berlin 1989.